Blood Shot
meine Hoffnung sank. Ihre nächsten Worte bestärkten meine Befürchtung: il signore Ferraro war ihr Sohn, ihr einziges Kind, und er war 1984 gestorben. Nein, er war nicht verheiratet gewesen. Einmal hatte er über ein Mädchen gesprochen, das in derselben Firma arbeitete wie er, aber dio mio, das Mädchen hatte ein Kind; sie war erleichtert gewesen, als nichts daraus wurde.
Ich gab ihr meine Karte mit der Bitte, mich anzurufen, falls ihr noch etwas einfiele, und machte mich ohne große Hoffnungen auf den Weg in die Green Bay Avenue.
Wieder öffnete eine Frau die Tür, diesmal eine jüngere, möglicherweise in meinem Alter, aber zu dick und zu verbraucht, als daß ich mir dessen hätte sicher sein können. Sie blickte mich aus kalten Fischaugen an, als wäre ich ein Lebensversicherungsvertreter oder Zeuge Jehovas, dem sie gleich die Tür vor der Nase zuknallen wollte.
»Ich bin Rechtsanwältin«, sagte ich schnell. »Ich bin auf der Suche nach Joey Pankowski.«
»Rechtsanwältin!« sagte sie verächtlich. »Da gehen Sie besser auf dem Queen-of-Angels-Friedhof nachsehen. Da hat er nämlich die letzten zwei Jahre verbracht. Das ist zumindest seine Version. So wie ich den Mistkerl kenne, hat er wahrscheinlich nur so getan, als wäre er tot, und ist in Wirklichkeit mit seiner Mieze durchgebrannt.«
Ich duckte mich etwas unter dem Beschuß. »Das tut mir leid, Mrs. Pankowski. Es handelt sich um eine alte Sache, die sich jahrelang hingeschleppt hat. Zweitausendfünfhundert Dollar. Ich will Sie nicht länger damit belästigen.«
Ihre blauen Augen verschwanden fast vollständig in den Fettfalten ihres Gesichts. »Nicht so schnell, gnädige Frau. Das Geld steht mir zu. Was meinen Sie, wie ich unter diesem Mistkerl gelitten hab'! Und als er gestorben ist, hat sich rausgestellt, daß er nicht mal 'ne Lebensversicherung hatte.«
»Ich weiß nicht recht«, sagte ich unsicher. »Das älteste Kind -« »Der kleine Joey« fiel sie mir ins Wort. »Geboren im August 1963. Ist beim Militär. Ich kann's für ihn aufheben bis Januar, wenn er wiederkommt.«
»Man hat mir gesagt, es gebe ein zweites Kind. Ein Mädchen, geboren 1962. Wissen Sie etwas über sie?«
»Der Mistkerl!« schrie sie. »Dieser Lügner! Dieser Betrüger! Er hat mich übers Ohr gehauen, als er noch lebte, und jetzt, wo er tot ist, haut er mich immer noch übers Ohr!«
»Sie wissen also von dem Mädchen?« fragte ich, erstaunt, daß meine Suche so schnell am Ende war.
Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich kenne Joey. Er könnte Dutzende Kinder gehabt haben, bevor er mich schwängerte. Wenn das Mädchen behauptet, sie wäre sein erstes Kind, sollten Sie vorsichtshalber eine Anzeige in die Little Calumet Times setzten.«
Ich holte einen Zwanzigdollarschein aus meinem Geldbeutel und behielt ihn nachlässig in der Hand. »Vielleicht könnten wir etwas von der Summe als Vorschuß ausbezahlen. Kennen Sie jemanden, der mir verläßliche Auskunft geben kann, ob der kleine Joey sein erstes Kind war? Hatte er einen Bruder? Sein Pfarrer?«
»Pfarrer?« gackerte sie. »Ich mußte noch draufzahlen, nur damit sie seine Knochen verscharren.« Trotzdem dachte sie angestrengt nach und versuchte dabei, nicht direkt auf das Geld zu starren. Schließlich sagte sie: »Ich weiß, wer Ihnen weiterhelfen kann. Der Werksarzt. Er hat sie jedes Frühjahr untersucht, ihnen Blut abgenommen und so weiter. Joey hat mal gesagt, der weiß mehr über mich als der liebe Gott.«
Den Namen wußte sie nicht, selbst wenn Joey ihn jemals erwähnt habe, könne man nicht von ihr erwarten, daß sie sich nach so langer Zeit noch daran erinnere, oder? Das Geld nahm sie mit Würde und bat mich, doch vorbeizuschauen, wenn ich mal wieder in der Gegend sei. »Ich rechne nicht damit, daß ich das Geld kriege«, fügte sie dann gutgelaunt hinzu. »So ein Mistkerl läßt mir kein Geld übrig. Wenn mein Vater ihn nicht dazu gezwungen hätte, hätte er mich nie geheiratet. Und unter uns gesagt, es wär' besser gewesen.«
8
Ein guter Arzt
Louisa und Caroline kamen von der Dialyse, als ich vor ihrem Haus hielt. Ich half Caroline, ihre Mutter in einen Rollstuhl zu verfrachten, in dem sie den kurzen Weg durch den Garten zurücklegte. Für die fünf steilen Stufen brauchten wir zehn geduldige Minuten. Wenn sie sich hochzog, stützte sie sich schwer auf meine Schulter, dann blieb sie stehen, bis sie für die nächste Stufe genug Luft geschöpft hatte. Als sie endlich in ihrem Bett lag, atmete sie in flachen,
Weitere Kostenlose Bücher