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Blood Shot

Blood Shot

Titel: Blood Shot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Chigwell?«
    »Miss Chigwell. Kenne ich Sie?«
    »Nein. Ich bin Privatdetektiv und würde gern mit Dr. Chigwell sprechen.«
    »Er hat mir nichts davon gesagt, daß er Sie erwartet.«
    »Sehen Sie, wir führen unsere Nachforschungen unangemeldet durch. Wenn die Leute zu lange nachdenken, antworten sie oft ausweichend.«
    Ich holte eine Karte aus meiner Tasche und reichte sie ihr. »V. I. Warshawski. Nachforschungen im Bereich Wirtschaftskriminalität. Könnten Sie dem Doktor sagen, daß ich hier bin. Ich werde ihn nicht länger als eine halbe Stunde aufhalten.«
    Sie nahm widerwillig meine Karte und verschwand im Haus, ohne mich hineinzubitten. Ich musterte die blankgeputzten Fensterscheiben der Nachbarhäuser. Der dritte Unterschied zwischen diesen Vororten und der Stadt besteht darin, daß man genausogut auf dem Mond sein könnte. Sowohl in einer Groß- wie in einer Kleinstadt würden die Vorhänge flattern, weil die Nachbarn versuchten herauszufinden, wer die seltsame Frau war, die die Chigwells besuchte. Dann würde telefoniert oder im Waschsalon geklatscht werden. Ja, ihre Nichte. Du weißt schon, die, deren Mutter nach Arizona gezogen ist. Hier bewegte sich kein Vorhang. Keine kreischenden Töne zeugten von Vorschulkindern, die sich bei Kriegsspielen entspannten. Ich hatte das unbehagliche Gefühl, daß ich trotz Lärm und Schmutz das Stadtleben vorzog.
    Miss Chigwell erschien wieder an der Tür. »Dr. Chigwell ist ausgegangen.«
    »Aber völlig unerwartet, nicht wahr? Wann rechnen Sie mit seiner Rückkehr?«
    »Das hat er nicht gesagt. Es wird wohl eine Weile dauern.«
    »Dann werde ich wohl eine Weile warten müssen«, sagte ich friedfertig. »Darf ich eintreten, oder ist es Ihnen lieber, wenn ich im Auto warte?«
    »Sie sollten besser gehen«, sagte sie, und die Runzeln auf ihrer Stirn vertieften sich. »Er will nicht mit Ihnen sprechen.«
    »Woher wissen Sie das? Wenn er nicht da ist, können Sie ihn nicht gefragt haben.«
    »Ich weiß, wen mein Bruder sehen will und wen nicht. Und er hätte es mir gesagt, wenn er mit Ihnen hätte sprechen wollen.« Sie schloß die Tür, für ihr Alter und die gute Polsterung ziemlich geräuschvoll.
    Ich parkte den Chevy so, daß er vom Haus aus deutlich sichtbar war. Auf einem Sender brachten sie Lieder von Hugo Wolf. Ich lehnte mich im Sitz zurück, schloß halb die Augen, lauschte der goldenen Stimme von Kathleen Battle und fragte mich, was Curtis Chigwell so nervös machte. Während der halben Stunde, die ich wartete, ging eine Person die Straße entlang. Schon begann ich zu glauben, ich hätte mich in eine Spielfilmkulisse verirrt - da steuerte Miss Chigwell entschlossen den Kiesweg entlang auf den Wagen zu. Ihr dünner Körper war steif wie ein Regenschirm. Höflich stieg ich aus.
    »Ich muß Sie bitten, von hier fortzufahren, junge Frau.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das ist eine öffentliche Straße. Kein Gesetz kann mich daran hindern, mich hier aufzuhalten. Ich spiele keine laute Musik, verkaufe kein Rauschgift und errege auch sonst kein öffentliches Ärgernis.«
    »Wenn Sie nicht auf der Stelle fortfahren, werde ich die Polizei rufen.«
    Ich bewunderte ihren Mut, sich mit über Siebzig mit einer wesentlich jüngeren fremden Person anzulegen. Ich sah, wie sich in ihren hellen Augen Angst mit Entschlossenheit mischte.
    »Ich gehöre dem Gericht an, gnädige Frau. Ich werde mich glücklich schätzen, der Polizei zu erklären, warum ich mit Ihrem - Bruder, nicht wahr? - sprechen möchte.«
    Das war nur die halbe Wahrheit. Jeder zugelassene Anwalt ist beim Gericht angestellt, aber ich ziehe es vor, nicht mit der Polizei zu reden, vor allem nicht mit Vorortpolizisten, die Detektive aus der Stadt grundsätzlich hassen. Glücklicherweise war Miss Chigwell so beeindruckt (hoffte ich zumindest) von meinem professionellen Auftreten,daß sie weder Beglaubigungsschreiben noch Ausweis sehen wollte. Sie kniff die Lippen zusammen, bis sie nur noch ein dünner Strich in ihrem eckigen Gesicht waren, und ging zurück zum Haus.
    Kaum saß ich wieder im Auto, als sie erneut auf dem Weg stand und mir wild zuwinkte. Als ich sie eingeholt hatte, sagte sie plötzlich: »Er wird mit Ihnen sprechen. Natürlich war er die ganze Zeit über da. Ich mag es nicht, wenn ich für ihn lügen muß, aber nach so vielen Jahren fällt es schwer, nein zu sagen. Er ist mein Bruder, mein Zwillingsbruder. Und vor zu langer Zeit habe ich mir zu viele schlechte Angewohnheiten zugelegt. Aber das wird Sie

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