Blood Shot
fragte sie streitlustig. »Du hast Nancy beraten, wegen -«
»Halt den Mund!« fuhr ich sie an. »Ich bin kein Polizist, meine Kleine. Ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie du in Sergeant McGonnigals Anwesenheit rot geworden bist und wie dir die Tränen aus den Augen gekullert sind. Aber ich weiß genausogut wie du, was ich an dem Abend zu Nancy gesagt habe. Also laß den Blödsinn und sag mir, warum du die Polizei angelogen hast.«
»Das hab' ich nicht! Beweis mir das erst mal. Als Nancy vorbeikam, hast du ihr gesagt, sie soll mit jemand aus Jurshaks Büro sprechen. Und jetzt ist sie tot.«
Ich schüttelte den Kopf wie ein nasser Pudel. »Fangen wir noch einmal von vorne an. Warum soll ich nicht weiter nach deinem Vater suchen?«
Sie sah auf den Schreibtisch. »Wegen Ma. Es ist nicht fair, hinter ihrem Rücken etwas zu unternehmen, was sie so aufregt.«
»Nicht schlecht«, sagte ich, »gar nicht übel. Ich werde mich an den Papst wenden, um deine Seligsprechung einzuleiten. Seit wann ist dir Louisa oder irgend jemand anders wichtiger als du selbst?«
»Hör auf!« schrie sie und brach in Tränen aus. »Ob du mir glaubst oder nicht, ich liebe meine Mutter und will nicht, daß ihr irgend jemand weh tut, egal, was du davon hältst.«
Ich sah sie argwöhnisch an. Caroline mochte im Zuge einer routinierten Waisenkindershow ein paar tragische Tränen herausquetschen können, aber zu Weinkrämpfen neigte sie nicht. »Okay«, sagte ich leise. »Ich nehm's zurück. Es war gemein. Hast du mir deswegen die Bullen auf den Hals gehetzt? Um mich dafür zu bestrafen, daß ich gesagt habe, ich werde meine Nachforschungen fortsetzen?«
Sie putzte sich geräuschvoll die Nase. »Das war es nicht!« »Was war es dann?«
Sie biß sich auf die Unterlippe. »Nancy hat mich am Dienstagmorgen angerufen. Sie sagte, daß sie Drohanrufe bekommt, sie glaubte, jemand verfolge sie.«
»Drohanrufe wegen was?«
»Wegen der Recyclinganlage natürlich.«
»Caroline, ich möchte jetzt nur Tatsachen. Hat sie ausdrücklich gesagt, daß sich die Anrufe auf die Anlage bezogen?«
Sie machte den Mund auf und schnappte nach Luft. »Nein«, gab sie schließlich zu. »Das war nur meine Vermutung. Weil wir uns darüber als letztes unterhalten haben.«
»Aber du hast der Polizei erzählt, daß sie wegen der Recyclinganlage ermordet wurde. Und daß ich ihr gesagt habe, an wen sie sich wenden soll. Begreifst du, was daran so empörend ist?«
»Aber, Vic. Das ist nicht nur wilde Spekulation. Ich meine -«
»Scheiße meinst du!« Ich war wieder wütend, und meine Stimme klang rauh. »Weißt du nicht, was der Unterschied ist zwischen deinen Gedankenspielen und der Realität? Nancy ist umgebracht worden. Ermordet. Statt der Polizei zu helfen, den Mörder zu finden, hast du mich verleumdet und mir die Polizei ins Haus geschickt.«
»Denen ist Nancy doch sowieso egal. Denen sind wir hier doch alle egal.« Sie war aufgestanden, ihre Augen blitzten. »Sie beugen sich dem politischen Druck, und was Jurshak angeht, für den könnte South Chicago genausogut der Südpol sein. Das weißt du so gut wie ich. Erinnerst du dich, wann er das letzte Mal eine Straße hat ausbessern lassen - mit Sicherheit, bevor du hier weggezogen bist.«
»Bobby Mallory ist ein guter, ehrenhafter, gründlicher Polizist«, sagte ich. »Daß Jurshak ein Riesenarschloch ist, ändert daran gar nichts.«
»Ja, dir sind wir auch egal. Das hast du deutlich genug bewiesen, als du weggegangen und nie wiedergekommen bist, bis ich dich dazu überredet habe.«
In meiner rechten Schläfe begann es zu pochen. Ich schlug so fest mit der Faust auf den Schreibtisch, daß ein paar Akten auf den Boden fielen. »Ich hab' mir eine Woche lang die Hacken abgelaufen, um deinen Vater zu finden. Hab' mich von deinen Großeltern beleidigen lassen. Louisa hat mich angeschnauzt. Und was hast du getan? Dir war es nicht genug, daß du mich dazu überredet hast, den Kerl zu suchen, und daß du mit mir Blinde Kuh hast spielen dürfen. Du mußtest der Polizei auch noch was vorlügen!«
»Und ich hab' geglaubt, das wär' dir eh scheißegal«, schrie sie. »Ich habe geglaubt, wenn ich dir schon egal bin, würdest du wenigstens was für Nancy tun, weil ihr in derselben Mannschaft gespielt habt. Sieht aus, als hätte ich mich mal wieder in dir getäuscht.«
Sie wollte zur Tür, ich ergriff ihren Arm und zwang sie, mich anzusehen. »Caroline, ich hab' eine solche Wut auf dich, ich könnte dich halbtot prügeln.
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