Blood Shot
durchsuchte den Schrank im Flur nach Schuhcreme und fand schließlich eine Büchse unter einem Schlafsack. Ich trug gerade gewissenhaft Schuhcreme auf, als Bobby Mallory anrief. Ich klemmte den Hörer zwischen Schulter und Ohr und begann, den linken Schuh zu polieren. »Guten Abend, Lieutenant. Was kann ich für Sie tun?«
»Du kannst mir einen stichhaltigen Grund nennen, warum ich dich nicht einbuchten soll.« Er sprach im freundlichsten Unterhaltungston, was besagte, daß er kurz vor der Explosion stand.
»Weswegen?« fragte ich.
»Es ist eine kriminelle Handlung, wenn man behauptet, Polizist zu sein, und es nicht ist. Außer dir scheint das alle Welt zu wissen.«
»Nicht schuldig.« Ich betrachtete den Schuh. Das Leder würde nie wieder so weich werden, wie zu der Zeit, als es in Florenz verarbeitet worden war, aber es hätte schlimmer sein können.
»Du bist demnach nicht die Frau - groß, um die Dreißig, kurzes, lok-kiges Haar - die Hugh Mclnerney weisgemacht hat, sie wäre bei der Polizei?«
»Ich sagte ihm, ich wäre Detective. Und wenn ich von der Polizei gesprochen habe, habe ich stets die Personalpronomen der dritten, nicht der ersten Person verwendet. Soweit ich weiß, ist das kein Verbrechen, aber vielleicht beschließt der Stadtrat, daß es in meinem Fall eins ist.« Ich nahm den rechten Schuh in die Hand.
»Du kannst dir nicht vorstellen, die Ermittlungen im Fall Cleghorn der Polizei zu überlassen, oder?«
»Ach, ich weiß nicht. Meinst du, daß Steve Dresberg sie auf dem Gewissen hat?«
»Wenn ich dir mit Ja antworten würde, würdest du dich dann nicht mehr blicken lassen und dich um die Sachen kümmern, von denen du was verstehst?«
»Wenn du einen Haftbefehl für ihn hast, vielleicht. Ohne mit dir darüber zu diskutieren, was das ist, wovon ich etwas verstehe.« Ich verschloß die Büchse und stellte sie auf eine Zeitung.
»Vicki, hör zu. Du bist die Tochter eines Polizisten. Du solltest eigentlich so klug sein, dich nicht in Polizeiermittlungen einzumischen. Wenn du mit jemand wie Mclnerney sprichst, ohne uns davon zu unterrichten, macht das unsere Arbeit hundertmal schwieriger. Verstehst du?«
»Ja, ich verstehe«, sagte ich widerwillig. »Ich werde nicht mehr mit der Staatsanwaltschaft reden, ohne mich vorher mit dir oder McGonni-gal abzusprechen.«
»Und auch mit niemand anders?«
»Verschone mich, Bobby. Wenn das eine in Großbuchstaben geschriebene POLIZEISACHE ist, dann überlass' ich's euch. Mehr ver-sprech' ich dir nicht.«
Beide legten wir gereizt auf. Den Rest des Abends verbrachte ich vor dem Fernsehapparat und sah mir eine übel gekürzte Version von Denn sie wissen nicht, was sie tun an. Meine schlechte Laune besserte sich dadurch nicht.
15
Chemieunterricht
Manheims Büro lag eingerahmt von einem Schönheitssalon und einem Blumenladen in der Reihe der kleinen Läden, die sich auf der Fünfundneunzigsten Straße drängen. Sein Name stand in diesen schwarzgoldenen Abziehbuchstaben, die altmodisch und diskret wirken sollten, auf der silbrigen Glasscheibe - Frederick Manheim, Rechtsanwalt.
Der vordere Teil des Büros, der Raum, der den Läden nebenan als Verkaufsraum diente, war das Empfangszimmer. Ein paar Plastikstühle und ein Schreibtisch mit Schreibmaschine und einem Topf mit Usambaraveilchen darauf bildeten die Einrichtung. Auf dem billigen Holztisch vor den Plastikstühlen lagen alte Ausgaben von Sports Illustrated. Ich blätterte ein paar Minuten darin, um der Rechtsanwaltsgehilfin die Gelegenheit eines Auftritts zu geben. Als niemand auftauchte, klopfte ich an die Tür am Ende des Zimmers und drehte den Knauf.
Die Tür öffnete sich auf einen schmalen, kurzen Flur mit einer weiteren Tür, auf der Manheims Name stand, diesmal in solider schwarzer Groteskschrift. Ich klopfte und bekam ein belegtes »Einen Augenblick, bitte« zur Antwort. Papier raschelte, eine Schublade wurde zugestoßen, und Manheim, der noch kaute, machte die Tür auf und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. Er war ein junger Mann mit roten Backen und dichtem blondem Haar, das ihm in die Stirn hing.
»Oh, hallo. Annie hat mir gar nicht gesagt, daß ich heute vormittag einen Termin habe. Kommen Sie rein.«
Ich schüttelte die ausgestreckte Hand und nannte ihm meinen Namen. »Ich war nicht mit Ihnen verabredet. Tut mir leid, daß ich einfach so hereinplatze, aber ich war in der Gegend und habe gehofft, Sie hätten etwas Zeit für mich.«
»Natürlich. Kein Problem. Leider kann ich
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