Blood Sun
entschuldigend zu den Männern vom MI5, die sich ihren Unmut deutlich anmerken ließen. »Dort in der Schale sind Makronen. Bedienen Sie sich.«
Gleich darauf zog er Sayid in das Lehrerzimmer.
»Im Postraum war nichts für Max, Sir«, berichtete Sayid.
»Gut gemacht. Jetzt geh in sein Zimmer und sieh nach, ob dort aktuelle Post herumliegt. Falls ja, versteck sie bei dir. Und nimm auch seinen Laptop mit. Mach schnell!«
Sayid schloss die Tür hinter sich, während M r Jackson nach dem Telefonhörer griff und eine Nummer wählte. Der Vater eines Schülers meldete sich mit leiser Stimme.
»Ridgeway.«
»Ich bin’s, Fergus Jackson. Ich brauche Ihre Hilfe.«
Robert Ridgeway war ein hochrangiger Mitarbeiter beim britischen Sicherheitsdienst und sein jüngster Sohn war in fast jedem Fach einer der besten Schüler der Dartmoor High. Er wusste, wie sehr sich Fergus Jackson für seine Schützlinge einsetzte. Wenn er anrief, musste es sich um etwas Wichtiges handeln.
Er hörte sich Jacksons Fragen an, bat ihn, einen Moment zu warten und konnte ihm nach weniger als einer Minute klare Auskünfte erteilen: Der MI5 stellte keine Ermittlungen im Todesfall Maguire an, von einer aus dem Internet abgefangenen Nachricht war nichts bekannt. Wie Jackson bereits wusste, kleideten MI5-Agenten sich oft nachlässig, wenn sie verdeckt ermittelten, also war das Äußere der zwei Männer nicht ungewöhnlich, aber beim MI5 arbeitete niemand unter dem Namen Stanton oder Drew. Und noch etwas stimmte nicht: MI5-Agenten konnten sich ihre Waffen nicht selbst aussuchen und besaßen keine großkalibrigen, verchromten Pistolen, wie Jackson sie bei Stanton gesehen hatte. Das auf den Arm tätowierte Wort Velvollisuus hatte Ridgeway noch nie gehört, aber es klang für ihn osteuropäisc h – vielleicht russisch. Er wollte das überprüfen. In der Zwischenzeit würde er die örtliche Polizeieinheit alarmieren und zur Schule beordern. Die beiden Männer waren offensichtlich Schwindler.
»Nein, tun Sie das nicht!«, sagte Jackson. »Wenn hier bewaffnete Polizisten auftauchen, könnte die Situation eskalieren. Ich werde die Männer schon los. Aber ich notiere mir ihr Kennzeichen und gebe es an Sie weiter.«
»Wie Sie wünschen. Und was ist mit Max Gordon? Ist er in Gefahr?«
Wie ein Feuerwerkskörper stieg das Leuchtgeschoss in den Himmel, flammte knisternd auf und war wie beabsichtigt meilenweit zu erkennen.
Max sah sich um. Die Straß e – eine gewundene Schlange aus nassem Asphalt, die zum Sammelpunkt der Soldaten führt e – war frei. Ein halbes Dutzend Armeelastwagen parkte dort, etwa vierzig Soldaten warteten ungeduldig vor einer Gulaschkanone auf heißen Eintopf und Tee. Sie schienen froh zu sein, dass die Sache endlich vorbei war. Mobile Bogenlampen tauchten die Männer in grelles Licht.
Er war so dicht an ihnen dran, dass er alles hören konnte, ihre Scherze, das Rauschen der Funkgeräte, ihr Schmatzen und Schlürfen.
Ein guter Jäger pirscht sich so nah wie möglich an seine Beute heran und Max wollte sich selbst auf die Probe stellen. Wie nah konnte er den Männern kommen, die ihn drei Tage lang verfolgt hatten, ohne ihn zu fassen zu kriegen? Max hatte sich mit Farnwedeln und Ginsterzweigen getarnt, sich diese Pflanzen ins Hemd, in den Gürtel und oben in die Stiefel gesteckt. Immer auf Deckung bedacht, hatte er sich langsam an die Soldaten herangeschlichen.
Knapp fünf Meter vom Einsatzleiter entfernt, der mit einem Klemmbrett in der Hand neben einem Funker stand, erhob sich Max aus den Ginsterbüschen. Er war von Kopf bis Fuß mit Schlamm beschmiert, seine Kleidung war völlig durchnässt, irgendetwas Ekelhaftes klebte in den verfilzten Haaren und die Augen waren vom Schlafmangel rot gerändert. Außerdem stank er.
Der Einsatzleiter reagierte verblüfft auf die Erscheinung, die vor ihm aus dem Moor aufgetaucht war. Doch dann lächelte er. »Leute! Er ist hier!«
Die Soldaten empfingen Max mit Jubelrufen und freundlichen Frotzeleien.
»Du hast dir aber Zeit gelassen!«
»Puh, da muss man sich ja die Nase zuhalten!«
»Fast hätten wir dich gekriegt.«
»Du siehst aus wie ausgekotzt.«
»Der Schrecken der Sümpfe.«
»In meinen Wagen lasse ich dich bestimmt nicht, so wie du stinkst!«
Das Leuchtgeschoss hatte das Ende der Übung angezeigt. Fliehen und Ausweichen nannten die Fallschirmjäger und Spezialeinheiten so ein Manöver. Ohne Essen, Geld und Waffen und nur mit der nötigsten Kleidung ausgestattet, wurden potenzielle
Weitere Kostenlose Bücher