Bloodcast 01 - Cast & Crew
worden. Ich dagegen musste immer um alles kämpfen. Du kannst also davon ausgehen, dass ich alles tun werde, um im Rennen zu bleiben. Ich werde lernen, in Schuhen wie denen da zu laufen, und ich tu sicher alles, was nötig ist, um diesen Wettkampf zu gewinnen!«
»Wie du meinst, Gülcan.« Kayla zuckte mit den Schultern.
»Zerda«, verbesserte das Mädchen. »Gib mir nie wieder einen anderen Namen!«
*
Zerda
Wohin?
Unausgesprochen schwebte die Frage im Raum, bitter und schwer wie kalter Zigarrenrauch. Zerda spürte die Blicke ihres Vaters auf sich lasten, aber sie war nicht gewillt, den Anfang zu machen.
Nicht dieses Mal …
Behutsam legte sie den Pullover aus rotem Kaschmir zusammen. Es war der einzige teure Pullover, den sie besaß. Ihre Schwester hatte ihn ihr im vergangenen Jahr aus Istanbul geschickt. Zerda legte ihn zuoberst in die Sporttasche, die fertig gepackt auf dem Bett stand. Dann zog sie energisch den Reißverschluss zu, schlüpfte in die schwarze Bikerjacke und schulterte die Tasche. Als sie sich zur Tür ihres Zimmers umwandte, stand ihr Vater noch immer dort, breitbeinig und mit verschränkten Armen, die Brauen finster zusammengezogen wie ein Türsteher.
»Tu das nicht, Vater!«, bat sie ihn.
Ahmed Yildirim war zweiundfünfzig Jahre alt. Sein ganzes Leben lang hatte er schwer und hart gearbeitet. Es hatte ihn nicht vor Schicksalsschlägen bewahrt, von denen sich jeder einzelne an seinen faltigen Zügen und dem bereits ergrauten Haar ablesen ließ.
»Ich werde dich nicht gehen lassen«, erwiderte er, nicht auf Deutsch wie sie, sondern auf Türkisch. Das tat er immer, wenn er etwas zu sagen hatte, von dem er glaubte, dass es entweder von besonderer Wichtigkeit war oder unwidersprochen bleiben musste.
»Ich bin fast zwanzig«, stellte sie klar, ihm zuliebe die Sprache wechselnd. »Ich kann nicht ewig hierbleiben.«
»Dann sag mir wenigstens, wo du hinwillst!«
»Das weißt du längst, sonst würdest du nicht fragen.«
»Etwa dorthin?« Aus der Gesäßtasche seiner Hose zog er den Brief von Kayne & Sparks.
Zerda straffte die Schultern. »Und wenn?«
»Ich habe dir gesagt, dass ich nichts davon halte.«
»Ich weiß, Vater.«
»Und du willst trotzdem gehen?«
Zerda atmete tief durch. Ihr war speiübel. Aber sie wusste, dass sie diesen Weg gehen musste, jetzt oder nie … »Es ist meine Entscheidung«, stellte sie klar.
»Nicht, solange du meine Tochter bist!«
Zerda seufzte, ließ den von schwarzen Locken eingerahmten Kopf hängen. Genau diese Art von Gespräch hatte sie vermeiden wollen. »Jetzt, wo ich gehe«, sagte sie leise, »erinnerst du dich daran, dass du eine Tochter hast.«
»Was soll das heißen?«
Zerda lachte freudlos auf. Er hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. Natürlich nicht. Wie sollte er auch? Sie hatte stets alles getan, um ihn zufriedenzustellen …
»Hast du dich nie gefragt, weshalb ich nach Aktans Tod mit Karate angefangen habe? Warum ich fünfmal die Woche trainiert, warum ich diesen ganzen Plunder gewonnen habe?« Sie deutete auf den Glasschrank, in dem all die Trophäen und Pokale standen, die sie sich im Laufe der Jahre erstritten hatte.
»Sprich nicht so!«, mahnte Ahmed Yildirim. »Du hast all diese Preise verdient gewonnen. Darauf solltest du stolz sein.«
»Stolz.« Zerda schnaubte. »Weißt du, worauf ich stolz gewesen wäre? Worum es mir in all den Jahren wirklich gegangen ist?«
»Du wolltest die Beste sein«, war ihr Vater überzeugt. »Das war schon immer so.«
»Nein«, widersprach sie leise, »das war nicht immer so. Erst, als ich erkannt hatte, dass ich dir nur auf diese Weise eine Freude machen kann. Ich habe es für dich getan, Vater, und für niemanden sonst. Das Training, die Turniere, die Preise - einfach alles.«
»Das … wusste ich nicht«, gab Ahmed zu und wirkte in diesem Moment geradezu hilflos.
»Ich weiß«, versicherte Zerda, »und es war mir auch nicht wichtig. Ich wollte nur deine Anerkennung, Vater … bis mir irgendwann eines klar geworden ist.«
»Nämlich?«
»Dass ich, egal was ich tue, niemals das sein werde, was du dir wünschst.«
»Das ist Unsinn!«, erwiderte ihr Vater überzeugt und lachte, auch wenn es nicht sehr überzeugend klang. »Wie kannst du wissen, was ich mir wünsche?«
»Weil du es mich hast spüren lassen, Vater, jeden einzelnen Tag.«
»So? Und was wäre das?«
»Dies hier«, sagte Zerda, und deutete auf die Fotografie, die in Glas gefasst über ihrem Schreibtisch hing.
Ein Junge war
Weitere Kostenlose Bücher