Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition)
meinem Kopf. Sonya, die die Lilie für mich hatte wachsen lassen. Sonya, die sich bei der Königin für Adrian verwandt hatte. Sonya, die mir Bilder von Brautjungfernkleidern zeigte. Sonya, die emsig arbeitete, um Strigoi aufzuhalten und Wiedergutmachung zu leisten. Das alles konnte jetzt aus und vorbei sein.
»Vielleicht, vielleicht, vielleicht.« Adrian setzte sich neben mich aufs Sofa. »Du darfst so nicht denken, und auf gar keinen Fall darfst du dich wegen der Taten einer verrückten, paranoiden Randgruppe schuldig fühlen.«
Natürlich hatte er recht, aber besser ging es mir deswegen trotzdem nicht. »Ich sollte die Alchemisten anrufen. Wir haben ebenfalls Verbindungen zur Polizei.«
»Wahrscheinlich eine gute Idee«, erwiderte er, wenn auch etwas halbherzig. »Ich habe einfach ein ungutes Gefühl bei diesen Leuten. Selbst wenn … selbst wenn sie noch lebt, weiß ich wirklich nicht, wie wir sie finden sollen. Abgesehen von einer wunderbaren magischen Lösung.«
Ich erstarrte.
»Oh, mein Gott!«
»Was ist?«, fragte er und sah mich besorgt an. »Ist dir was eingefallen?«
»Ja … aber nicht das, was du denkst.« Ich schloss die Augen und holte tief Luft. Nein, nein, nein. Der Gedanke in meinem Kopf war verrückt. Ich hatte kein Recht, ihn auch nur in Erwägung zu ziehen. Dimitri hatte die richtige Idee. Wir mussten uns auf ganz normale, konkrete Methoden konzentrieren, um Sonya aufzuspüren.
»Sage?« Adrian berührte mich sachte am Arm. Bei dem Gefühl seiner Fingerspitzen auf meiner Haut zuckte ich zusammen. »Alles okay mit dir?«
»Ich weiß nicht«, murmelte ich. »Mir ist nur gerade was Verrücktes eingefallen.«
»Willkommen in meiner Welt.«
Ich wandte den Blick ab, hin- und hergerissen wegen der Entscheidung, die vor mir lag. Was ich überlegte … na ja, manche Leute würden vielleicht argumentieren, dass es sich nicht allzu sehr von dem unterschied, was ich schon früher getan hatte. Und doch lief alles auf die feine Grenze zwischen zwei Dingen hinaus: etwas freiwillig zu tun oder etwas unter Zwang zu tun. Das war hier keine Frage. Eher wäre es eine Entscheidung. Eine Ausübung von freiem Willen.
»Adrian … was wäre, wenn wir eine Möglichkeit hätten, Sonya zu finden, diese Möglichkeit aber gegen alles verstoßen würde, woran ich glaube?«
Für die Antwort nahm er sich einige Momente Zeit. »Glaubst du daran, Sonya zurückzubekommen? Wenn ja, dann würdest du nicht gegen alles verstoßen, woran du glaubst.«
Es mochte zwar eine seltsame Logik sein, aber sie gab mir den nötigen Anstoß. Ich holte mein Handy heraus und wählte eine Nummer, die ich sonst fast niemals anrief – obwohl ich gewiss ständig SMS und Anrufe von dieser Nummer bekam. Nach zweimaligem Läuten hob jemand ab. »Ms Terwilliger? Hier ist Sydney.«
»Ms Melbourne. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich muss Sie sprechen. Es ist eine Art Notf-, nein, nein, keine ›Art‹. Es ist dringend. Sind Sie in der Schule?«
»Nein. So schockierend es sein mag, aber ich gehe tatsächlich gelegentlich nach Hause.« Sie hielt für einen Moment inne. »Allerdings … Sie sind bei mir zu Hause gewiss willkommen.«
Ich weiß nicht, warum mir dabei unbehaglich war. Schließlich verbrachte ich viel Zeit bei Clarence, und der große Besitz eines Vampirs war sicherlich viel schlimmer als die Wohnung einer Highschool-Lehrerin. Natürlich war besagte Lehrerin auch eine Hexe, daher wusste ich nicht so recht, ob ich eine langweilige Vorstadtwohnung erwarten sollte oder ein Haus aus Pfefferkuchen.
Ich schluckte. »Haben Sie bei sich zu Hause viele der gleichen Zauberbücher wie in der Schule?« Bei dem Wort ›Zauber‹ zog Adrian eine Augenbraue hoch.
Diesmal dauerte Ms Terwilligers Zögern viel länger. »Ja«, antwortete sie schließlich. »Sogar noch mehr.«
Sie gab mir ihre Adresse, und bevor ich auch nur auflegen konnte, sagte Adrian: »Ich komme mit.«
»Du weißt ja nicht mal, wo ich hingehe.«
»Stimmt«, sagte er. »Aber ein Mangel an Informationen hat mich noch nie an etwas gehindert. Außerdem weiß ich, dass es etwas mit Sonya zu tun hat, und das reicht mir. Und dann wirkst du völlig verängstigt. Auf keinen Fall kann ich dich allein fahren lassen.«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe mich schon Dingen gestellt, die wesentlich furchteinflößender waren, und als ich das letzte Mal nachgesehen habe, hattest du kein Recht, mich etwas tun zu lassen .« Auf seinem Gesicht lag jedoch eine solche
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