Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition)
brachte uns unaufgefordert die Dessertkarte, und ich überraschte mich selbst, indem ich sagte: »Wow … ich kann gar nicht glauben, wie gern ich jetzt ein Eis hätte. Passiert sonst nie.« Vielleicht hatten Schweiß und Hitze mich völlig ausgelaugt … vielleicht hatte ich aber auch immer noch Adrian im Kopf.
»Ich habe noch nie erlebt, dass du ein Dessert bestellst«, bemerkte Brayden und schob seine Karte beiseite. »Ist da nicht zu viel Zucker drin?«
Wieder so eine merkwürdige Bemerkung seinerseits, die man auf alle möglichen Weisen interpretieren konnte. Tadelte er mich jetzt? Meinte er, ich sollte lieber keinen Zucker zu mir nehmen? Ich wusste es nicht, aber es reichte aus, dass ich die Dessertkarte zuklappte und auf seine legte.
Da wir für den Abend nichts weiter geplant hatten, beschlossen wir, einfach einen Spaziergang zu machen. Die Temperatur war auf ein erträgliches Maß gefallen, und es war immer noch so hell, dass ich nicht befürchten musste, hinter jeder Ecke könnten die Krieger des Lichts hervorspringen. Was jedoch nicht bedeutete, dass ich Wolfes Anweisungen ignorierte. Ich behielt meine Umgebung im Auge und suchte nach verdächtigen Anzeichen.
Wir erreichten einen kleinen Park, der sich nur über einen Stadtblock erstreckte, und fanden in einer Ecke eine Bank. Dort setzten wir uns und beobachteten spielende Kinder auf der anderen Seite des Rasens, während wir unsere Diskussion über Vogelbeobachtung in der Mojave fortsetzten. Während des Gesprächs legte Brayden den Arm um mich, und schließlich hatten wir das Thema erschöpft und saßen einfach in behaglichem Schweigen nebeneinander.
»Sydney … «
Ich wandte den Blick von den Kindern ab, überrascht von Braydens unsicherem Tonfall, der sich so sehr von dem unterschied, mit dem er gerade die Überlegenheit des Berghüttensängers über den Blaukehl-Hüttensänger verteidigt hatte. Wie er mich jetzt so ansah, war da etwas Weiches in seinen haselnussbraunen Augen. Das Abendlicht verlieh ihnen etwas mehr Gold als üblich, ließ das Grün darin jedoch vollkommen verschwinden. Jammerschade.
Bevor ich etwas sagen konnte, beugte er sich vor und küsste mich. Der Kuss war intensiver als der letzte, wenn auch noch weit entfernt von den epischen, alles verzehrenden Küssen, die ich in Filmen gesehen hatte. Diesmal legte er mir tatsächlich die Hand auf die Schulter und zog mich sachte ein wenig näher zu sich heran. Der Kuss dauerte außerdem länger als der vorangegangene, und ich versuchte abermals, mich gehen zu lassen, mich in dem Gefühl von jemandes Lippen zu verlieren.
Er war dann derjenige, der aufhörte, und zwar etwas abrupter, als ich erwartet hätte. »Ich … es tut mir leid«, sagte er und wandte den Blick ab. »Das hätte ich nicht tun sollen.«
»Warum denn nicht?«, fragte ich. Meine Frage zielte weniger darauf ab, dass ich mich nach dem Kuss gesehnt hatte, als vielmehr darauf, dass hier genau der Ort war, wo man sich küssen wollte: ein romantischer Park bei Sonnenuntergang.
»Wir sind in der Öffentlichkeit. Das ist irgendwie vulgär.« Vulgär? Ich war mir nicht einmal sicher, ob wir wirklich an einem allzu öffentlichen Ort waren. Schließlich war niemand in unserer Nähe, und wir befanden uns im Schatten einiger Bäume. Brayden seufzte frustriert. »Ich habe wohl die Beherrschung verloren. Es wird nicht wieder vorkommen.«
»Schon okay«, sagte ich.
Mir war es zwar nicht wie ein großartiger Verlust der Beherrschung vorgekommen, aber was wusste ich schon? Und ich fragte mich, ob ein kleiner Verlust der Beherrschung wirklich eine so schlechte Sache war. War das nicht irgendwie sogar die Grundlage von Leidenschaft? Ich wusste es auch nicht. Mit Bestimmtheit wusste ich bloß, dass dieser Kuss große Ähnlichkeit mit dem letzten gehabt hatte. Nett, aber er riss mich nicht vom Hocker. Mutlos ließ ich die Schultern hängen. Irgendetwas stimmte nicht mit mir. Alle sprachen immer davon, dass ich gesellschaftlich so ungeschickt war. Erstreckte sich das auch auf Romantik? War ich so kalt, dass ich in meinem ganzen Leben nie etwas empfinden würde?
Brayden deutete mein Entsetzen wohl falsch und vermutete, dass ich wütend auf ihn war. Er stand auf und streckte die Hand aus. »He, lass uns einen Block weiter zu dieser Teestube gehen. Dort stellen sie die Bilder eines Malers aus der Gegend hier aus, und ich glaube, das wird dir gefallen. Außerdem hat Tee keine Kalorien, nicht wahr? Besser als ein Dessert.«
»Genau«,
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