Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition)
»Ich will nicht gemein zu dir sein. Du bist die letzte Person, der ich wehtun möchte … aber ich will auch nicht, dass du dir selbst wehtust. Du kannst alles vergessen, was ich gerade gesagt habe, aber ich musste es einmal aussprechen, okay? Ich erwähne es nie wieder. Es ist dein Leben.«
Ich wandte den Blick ab und blinzelte Tränen zurück. »Danke«, antwortete ich. Ich hätte glücklich darüber sein sollen, dass er sich zurückziehen würde. Stattdessen war da ein Schmerz in mir, als hätte ich etwas aufgerissen, das ich eigentlich hatte übersehen und wegschließen wollen. Eine hässliche Wahrheit, die ich mir selbst gegenüber nicht eingestehen wollte, die für jemanden, der behauptete, sich mit Fakten und Daten zu beschäftigen, verlogen war. Das wusste ich. Und ob ich ihm recht geben wollte oder nicht, ich wusste ohne jeden Zweifel, dass er in einem Punkt recht hatte: Niemand sonst hätte mir gesagt, was er gerade gesagt hatte.
»Warum bist du überhaupt vorbeigekommen?«, fragte er. »Du willst doch ganz bestimmt nicht, dass mein umwerfendes Gemälde zum neuen Zeichen der Alchemisten wird?«
Ich konnte mir ein kleines Lachen nicht verkneifen und schaute wieder zu ihm auf, dazu bereit, ihn bei dem abrupten Themenwechsel zu unterstützen. »Nein. Etwas viel Ernsteres.«
Er wirkte über mein Lächeln erleichtert und schenkte mir sein fieses Grinsen als Antwort. »Muss ja wirklich ernst sein.«
»Diese Nacht auf dem Gelände. Woher hast du gewusst, wie man den Mustang fährt?«
Sein Lächeln verschwand.
»Denn du hast es gewusst«, fuhr ich fort. »Du bist ohne jedes Zögern gefahren. So gut wie ich. Ich habe mich allmählich gefragt, ob es dir vielleicht jemand anders gezeigt hat. Aber selbst wenn du jeden Tag Unterricht gehabt hättest, seit du den Wagen bekommen hast, so hättest du nicht fahren können. Du hast geschaltet, als hättest du dein ganzes Leben lang Schaltwagen gefahren.«
Adrian wandte sich abrupt ab und ging auf die andere Seite des Wohnzimmers. »Vielleicht bin ich ein Naturtalent«, meinte er, ohne mich anzusehen.
Es war komisch, wie schnell sich der Spieß umgedreht hatte. In der einen Minute hatte er mich in die Ecke gedrängt und gezwungen, mich Dingen zu stellen, denen ich mich nicht stellen wollte. Und jetzt war ich an der Reihe. Ich folgte ihm zum Fenster hinüber und zwang ihn, mir in die Augen zu sehen.
»Ich habe recht, nicht wahr?«, bedrängte ich ihn. »Du hast dein Leben lang einen gefahren!«
»Nicht einmal Moroi geben Säuglingen Führerscheine, Sage«, erwiderte er trocken.
»Weich mir nicht aus! Du weißt doch, was ich meine. Du hast seit Jahren gewusst, wie man mit Gangschaltung fährt.«
Sein Schweigen war ausreichend Antwort und sagte mir, dass ich recht hatte, obwohl sein Gesichtsausdruck schwer zu deuten war.
»Warum?«, fragte ich. Es klang beinahe flehend. Alle sagten, ich sei so außerordentlich klug, ich könne scheinbar willkürliche Dinge zusammenfügen und zu bemerkenswerten Schlussfolgerungen kommen. Aber diese hier überstieg meine Fähigkeiten, und mir blieb etwas, das so wenig Sinn ergab, ein völliges Rätsel. »Warum hast du das getan? Warum hast du so getan, als wüsstest du nicht, wie man fährt?«
Eine Million Gedanken schienen ihm durch den Kopf zu gehen, und keinen davon wollte er mitteilen. Schließlich schüttelte er entnervt den Kopf. »Ist das nicht offensichtlich, Sage? Nein, natürlich nicht. Ich habe es getan, damit ich einen Grund hatte, in deiner Nähe zu sein – einen, den du nicht ablehnen konntest.«
Ich war verwirrter denn je. »Aber … warum? Warum wolltest du das?«
»Warum?«, wiederholte er. »Weil ich auf diese Weise diesem hier am nächsten kam.«
Er beugte sich vor und zog mich an sich, eine Hand auf meiner Taille und die andere in meinem Nacken. Er drückte mir den Kopf hoch und senkte seine Lippen auf meine. Ich schloss die Augen und schmolz dahin, während mein ganzer Körper von diesem einen Kuss verzehrt wurde. Ich war nichts. Ich war alles. Ein Frösteln überlief mich, und Feuer brannte in mir. Sein Körper drängte sich näher an meinen heran, und ich schlang die Arme um seinen Hals. Seine Lippen waren wärmer und weicher als alles, was ich mir jemals hätte vorstellen können, und zugleich doch wild und mächtig. Meine Lippen antworteten hungrig, und ich presste ihn fester an mich. Seine Finger glitten über meinen Nacken, zeichneten seine Form nach – und jede Stelle, die sie berührten, war
Weitere Kostenlose Bücher