Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition)
kicherte vor sich hin. »Trotzdem. Man weiß nie, was geschehen könnte. Es ist das Beste, auf Nummer sicher zu gehen.«
Sonya bedachte ihn mit einem sanften Lächeln. »Alles ist gut, ganz bestimmt. Sie haben keinen Grund zur Sorge.«
Clarence sah ihr in die Augen, und nach einigen Sekunden breitete sich auch auf seinem Gesicht langsam ein Lächeln aus. Seine starre Haltung löste sich. »Ja, ja. Sie haben recht. Kein Grund zur Sorge.«
Ich schauderte. Ich war lange genug mit Moroi zusammen gewesen, um zu wissen, was geschehen war. Sonya hatte soeben Zwang eingesetzt – nur einen Hauch – , um Clarence zu beruhigen. Zwang, die Fähigkeit, anderen seinen Willen aufzudrängen, war ein Talent, das alle Moroi in unterschiedlichem Ausmaß besaßen. Geistbenutzer waren die Stärksten unter ihnen und den Strigoi fast ebenbürtig. Der Einsatz von Zwang auf andere war unter den Moroi tabu, und jene, die ihn missbrauchten, mussten mit ernsten Konsequenzen rechnen.
Die Moroibehörden würden vermutlich ein Auge zudrücken, weil sie einen nervösen alten Mann beruhigt hatte, aber die kleine Tat brachte mich trotzdem aus der Fassung. Insbesondere Zwang war mir immer wie eine der heimtückischsten Kräfte der Moroi erschienen. Und hatte Sonya ihn jetzt wirklich einsetzen müssen? Sie war doch schon so freundlich und besänftigend. Hätte das bei Clarence nicht genügt? Manchmal fragte ich mich, ob sie Magie einfach um ihrer selbst willen verwendeten. Manchmal fragte ich mich auch, ob sie in meiner Umgebung eingesetzt wurde … ohne dass ich es überhaupt wusste.
Clarences Gerede von Vampirjägern löste bei allen ständig eine Mischung aus Erheiterung und Unbehagen aus. Da er jetzt wieder ruhig geworden war (selbst wenn mir die Mittel dazu missfielen), konnten wir uns alle ein wenig entspannen. Sonya lehnte sich auf dem Sofa zurück und trank ein Fruchtsaftgetränk, das für einen heißen Tag wie diesen wie geschaffen schien. Ihren schmutzigen Kleidern und den wirren Haaren nach zu urteilen, musste sie draußen gewesen sein – nicht, dass sie nicht immer noch schön gewesen wäre. Die meisten Moroi vermieden eine intensive Sonneneinstrahlung, aber ihre Liebe zu Pflanzen war so groß, dass sie tatsächlich das Risiko eingegangen war und sich um einige der kränklichen Blumen in Clarences Garten gekümmert hatte. Starker Sonnenschutz konnte Wunder bewirken.
»Ich werde nicht mehr sehr lange hier sein«, erklärte sie. »Höchstens noch einige Wochen. Ich muss zurück und mit Mikhail die Hochzeitsvorbereitungen treffen.«
»Wann ist denn noch mal der große Tag?«, fragte Adrian.
Sie lächelte. »Im Dezember.« Das überraschte mich, bis sie hinzufügte: »In der Nähe des Königshofs befindet sich ein riesiges, tropisches Gewächshaus, das wir ausgewählt haben. Es ist zauberhaft – nicht, dass das eine Rolle spielte. Mikhail und ich könnten überall heiraten. Es zählt bloß, dass wir zusammen sind. Natürlich, wenn wir wählen können, warum dann nicht aufs Ganze gehen?«
Selbst ich lächelte bei diesen Worten. Wenn jemand mitten in einem Winter in Pennsylvania ein grünes Fleckchen fand, dann war es Sonya.
»Dimitri kann bleiben«, fuhr sie fort. »Aber es wäre wunderbar, wenn wir einige Fortschritte machten, bevor ich gehe. Die Auratests waren bisher … «
»Nutzlos?«, schlug Adrian vor.
»Ich wollte sagen: ergebnislos«, erwiderte sie.
Adrian schüttelte den Kopf. »Also war all diese Zeit verschwendet?«
Sonya erwiderte nichts und nahm stattdessen einen weiteren Schluck von ihrem Getränk. Ich wollte jede Wette eingehen, dass es kein alkoholisches war – sie betrieb keine Selbstmedikation wie Adrian – und dass Dorothy mir eines geben konnte, wenn ich wollte. Trotzdem war ich auch bereit zu wetten, dass es mir schrecklich bekommen wäre. Vielleicht sah ich einfach nach, ob es in der Küche Cola light gab.
Sonya beugte sich vor, ein eifriges Glitzern in den Augen. »Dimitri und ich haben uns besprochen und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir etwas Offensichtliches übersehen müssen. Tatsächlich sollte ich sagen, dass wir es meiden, aber es wäre Verschwendung, der Sache nicht nachzugehen.«
»Wovon sprechen Sie denn?«, fragte Adrian.
»Blut«, erwiderte Dimitri.
Ich zuckte zusammen. Mir gefiel nicht, dass dieses Thema aufkam. Es erinnerte mich immer daran, mit was für Leuten ich da eigentlich zusammen war.
»Offensichtlich gibt es an wiederhergestellten Strigoi etwas, das sie – uns –
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