Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition)
Bunker kam mir wieder in den Sinn, und ich dachte daran, dass eine Abmachung mit Vampiren Keith die Umerziehung eingebrockt hatte. Wie viel schlimmer war ich dagegen? Gesellschaftlicher Umgang war zwar ein unausweichlicher Teil dieses Auftrags, aber ich überschritt mal wieder sämtliche Grenzen.
»In Ordnung«, sagte ich. »Ich tu’s. Schick mir eine E-Mail, um wie viel Uhr du abfahren musst.«
Das war der Moment, in dem der komischste Teil kam. Er war völlig sprachlos. »Wirklich?«
Ich konnte nicht anders, ich musste lachen. »Du hast mir diese ganze Geschichte erzählt und trotzdem nicht daran geglaubt, dass ich ja sagen würde?«
»Nein«, gab er zu, immer noch sichtlich erstaunt. »Bei dir weiß ich nie genau, woran ich bin. Ich betrüge die Leute, das weißt du. Ich meine, ich bin ganz geschickt darin, Gesichter zu interpretieren, aber ich fange eine Menge von Auren auf und tu so, als hätte ich einfach erstaunliche Einblicke. Ich habe aber noch nicht gelernt, Menschen vollkommen zu verstehen. Ihr habt die gleichen Farben, fühlt euch aber ganz anders an.«
Auren machten mir nicht so viel Angst wie andere Vampirmagie, aber ich fühlte mich trotzdem nicht ganz wohl dabei. »Welche Farbe hat meine?«
»Gelb natürlich.«
»Natürlich?«
»Kluge, analytische Typen haben gewöhnlich gelb. Aber du hast hier und da auch ein wenig Purpur.« Selbst in dem dunklen Flur konnte ich jetzt ein schelmisches Funkeln in seinen Augen erkennen. »Das ist es, was dich interessant macht.«
»Was bedeutet Purpur?«
Adrian legte die Hand an die Tür. »Ich muss los, Sage. Ich will Dorothy nicht warten lassen.«
»Komm schon. Sag mir, was Purpur bedeutet!« Ich war so neugierig, dass ich ihn beinahe am Arm festhielt.
Er drehte den Knauf. »Das werde ich tun, wenn du dich uns anschließt.«
»Adrian … «
Lachend verschwand er in dem Zimmer und schloss die Tür. Kopfschüttelnd wollte ich zu den anderen zurückkehren, beschloss dann aber, doch nach meiner Cola light zu suchen. Ich blieb noch eine Weile in der Küche, lehnte mich an die Granittheke und starrte geistesabwesend die glänzenden Kupfertöpfe an, die von der Decke herabhingen. Warum hatte ich zugestimmt, Adrian zu fahren? Was war bloß an ihm, dass sämtlicher Anstand und alle Logik, um die herum ich mein Leben aufgebaut hatte, Risse bekamen? Ich verstand ja, warum ich häufig eine Schwäche für Jill hatte. Sie erinnerte mich an meine jüngere Schwester Zoe. Aber Adrian? Er ähnelte niemandem, den ich kannte. Tatsächlich war ich mir sogar ziemlich sicher, dass es auf der ganzen Welt niemanden gab, der ganz und gar so war wie Adrian Ivashkov.
Ich trödelte so lange herum, dass Adrian, als ich wieder ins Wohnzimmer zurückkehrte, ebenfalls auf dem Rückweg dorthin war. Ich setzte mich aufs Sofa, das Glas mit dem Rest meiner Cola light in der Hand. Bei meinem Anblick leuchtete Sonyas Gesicht auf.
»Sydney, wir hatten gerade eine wunderbare Idee.«
Vielleicht war ich nicht die Schnellste, wenn es darum ging, in Gesellschaft Stichworte aufzufangen, aber ich bemerkte doch, dass diese wunderbare Idee mich betraf und nicht Adrian und mich.
»Wir haben gerade über die Berichte aus der Nacht des … Zwischenfalls … gesprochen.« Sie sah Clarence vielsagend an, und ich nickte. Ich verstand. »Sowohl die Moroi als auch die Alchemisten meinten, die Strigoi hätten Probleme mit Ihrem Blut gehabt, stimmt’s?«
Ich versteifte; das gefiel mir überhaupt nicht. Es war das Gespräch, vor dem ich mich gefürchtet hatte. Die Strigoi, die Lee getötet hatten, hatten nicht nur »Probleme« mit meinem Blut gehabt. Lees Blut hatte ihnen seltsam geschmeckt, meins war aber ekelhaft gewesen. Die eine Strigoi-Frau, die versucht hatte, von mir zu trinken, hatte es überhaupt nicht vertragen. Sie hatte es sogar ausgespuckt.
»Ja … «, erwiderte ich vorsichtig.
»Offensichtlich sind Sie keine wiederhergestellte Strigoi«, sagte Sonya. »Aber wir würden uns gern auch Ihr Blut ansehen. Vielleicht weist es etwas auf, das uns helfen könnte. Eine kleine Probe sollte genügen.«
Aller Augen ruhten auf mir, selbst die von Clarence. Der Raum zog sich um mich zusammen, während mich eine vertraute Panik erfüllte. Ich hatte viel darüber nachgedacht, warum die Strigoi mein Blut nicht gemocht hatten – eigentlich hatte ich möglichst gar nicht darüber nachdenken wollen. Ich wollte nicht glauben, dass etwas Besonderes an mir war. Das durfte nicht sein. Ich wollte keinerlei
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