Bloodlines - Mead, R: Bloodlines - Bloodlines
»Er ist nicht so richtig mein Freund.«
»Oh, wirklich? Das haben die meisten von uns bereits am Tag eins geschnallt, Sage.«
Ich hatte deswegen ein etwas mieses Gefühl. Irgendein Teil von mir wusste, dass meine persönlichen Gefühle Keith gegenüber keinen Einfluss auf unsere geschäftliche Beziehung haben durften. Wir waren doch irgendwie Kollegen und sollten eine geeinte, professionelle Front bilden. Gleichzeitig war ich froh darüber, dass diese Leute – selbst wenn sie Vampire und Dhampire sein mochten – nicht der Meinung waren, ich sei mit Keith befreundet. Sie sollten nicht glauben, dass er und ich viel gemeinsam hatten. Ganz bestimmt wollte ich nicht viel mit ihm gemeinsam haben.
Plötzlich wurde mir die volle Bedeutung von Adrians Worten bewusst. »Moment mal. Er war gerade hier?«
»Vor einer halben Stunde.«
Er musste direkt von der Schule hergefahren sein. Ich hatte Glück, dass ich ihn verpasst hatte. Irgendetwas sagte mir, dass er etwas dagegen gehabt hätte, wenn ich Adrians Ausbildung förderte.
»Weshalb war er hier?«
»Keine Ahnung. Ich vermute, er hat Clarence besucht. Dem alten Mann geht’s nicht gut.« Adrian zog ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche. »Hast du was dagegen?«
»Ja«, erwiderte ich. »Was ist mit Clarence los?«
»Ich weiß es nicht, aber er ruht sich oft aus, weswegen es noch langweiliger ist. Ich meine, er war auch so nicht der großartigste Gesprächspartner, aber einige seiner verrückten Geschichten waren schon interessant.« Adrians Gesicht bekam einen sehnsüchtigen Ausdruck. »Vor allem mit Scotch.«
»Halte mich darüber auf dem Laufenden, wie es ihm geht«, murmelte ich. Ich fragte mich, ob das vielleicht der Grund war, warum Keith es vorhin so eilig gehabt hatte. Wenn Clarence ernsthaft erkrankt war, müssten wir einen Moroi-Arzt hinzuziehen. Dadurch würde unser Spiel hier in Palm Springs noch komplizierter werden, weil wir entweder Clarence wegbringen oder irgendjemanden herholen müssten. Wenn Keith daran arbeitete, hätte ich mir deswegen eigentlich keine Sorgen machen sollen … aber ich hielt ihn einfach in jeder Hinsicht für ziemlich unfähig.
»Ich weiß gar nicht, wie du ihn ertragen kannst«, meinte Adrian. »Ich habe immer geglaubt, du bist schwach und wehrst dich einfach nicht … aber ehrlich, jetzt meine ich eher, dass du tatsächlich ziemlich tough bist. Es gehört höllisch viel Kraft dazu, sich nicht zu beschweren und um sich zu schlagen. Ich habe diese Selbstbeherrschung nicht.«
»Du hast mehr, als du glaubst«, widersprach ich, von dem Kompliment leicht aus der Fassung gebracht. Ich war manchmal so deprimiert, weil ich mich nicht wehrte, dass es mir nie in den Sinn gekommen war, dazu könnte eine eigene Art von Stärke nötig sein. Noch überraschender fand ich, dass es Adrians bedurft hatte, mich mit der Nase daraufzustoßen. »Ich halte mich immer an die Regeln. Mein Dad – und die Alchemisten – stehen ganz auf Gehorsam und dass man die Anweisungen seiner Vorgesetzten befolgt. Ich bin irgendwie in einer Zwickmühle, weil ich mich bei dir auf unsicherem Grund bewege, daher ist es doppelt wichtig für mich, keinen Wirbel zu machen.«
»Wegen Rose?« Sein Tonfall wirkte sorgfältig beherrscht.
Ich nickte. »Yup. Was ich getan habe, kommt in ihren Augen einem Hochverrat gleich.«
»Ich weiß nicht, was Hochverrat bedeutet, aber es klingt ziemlich ernst.« Ich sah, dass er mich aus dem Augenwinkel musterte. »War es das wert?«
»Bisher, ja.« Es war leicht, das zu sagen, da Zoe noch keine Tätowierung bekommen hatte und ich nicht in ein Umerziehungslager geschickt worden war. Wenn sich das änderte, würden sich vielleicht auch meine Antworten ändern. »Es war richtig. Ich nehme an, es hat dramatische Taten gerechtfertigt.«
»Ich habe auch eine Menge Regeln gebrochen, um Rose zu helfen«, sagte er besorgt. »Ich habe es aus Liebe getan. Eine irregeleitete Liebe zwar, aber trotzdem Liebe. Ich weiß nicht, ob das nobler ist als deine Gründe, vor allem, da sie in jemand anderen verliebt war. Die meisten meiner dramatischen Taten haben nicht mal einem bestimmten Zweck gedient. Im Wesentlichen wollte ich damit meine Eltern ärgern.«
Ich ertappte mich dabei, dass ich tatsächlich etwas neidisch darauf war. Ich konnte mir nicht vorstellen, bewusst etwas zu tun, um eine Reaktion meines Dads zu erhalten – obwohl ich den Wunsch gewiss gehabt hatte. »Meiner Ansicht nach ist Liebe schon ein nobler Grund«, erwiderte ich. Ich
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