Bloodlines - Mead, R: Bloodlines - Bloodlines
sprach natürlich sachlich. Ich war noch nie verliebt gewesen und hatte keinen Bezugspunkt, um das wirklich zu beurteilen. Basierend auf dem, was ich bei anderen beobachtet hatte, vermutete ich, dass sie etwas Umwerfendes war … aber für den Augenblick war ich zu sehr mit meinem Job beschäftigt, als dass mir ihr Fehlen aufgefallen wäre. Ich fragte mich, ob ich darüber enttäuscht sein sollte. »Und ich glaube, du hast jede Menge Zeit, um noch andere noble Dinge zu tun.«
Er lachte leise. »Ich hätte nie gedacht, dass mein größter Cheerleader jemand sein würde, der mich für böse und unnatürlich hält.«
Womit wir schon zu zweit waren.
Widerstrebend gelang es mir, eine Frage zu stellen, die längst in mir gebrannt hatte. »Liebst du sie immer noch? Rose?« Da ich nicht wusste, wie es sich anfühlte, verliebt zu sein, hatte ich auch keine Ahnung, wie lange es dauerte, um sich von Liebe zu erholen.
Adrians Lächeln erlosch. Sein Blick kehrte sich nach innen. »Ja. Nein. Es ist schwer, über so jemanden hinwegzukommen. Sie hatte eine gewaltige Wirkung auf mich, sowohl im Guten wie im Schlechten. Das lässt sich schwer überwinden. Ich bemühe mich, nicht allzu oft an sie zu denken, weder im Sinne von Liebe noch von Hass. Im Wesentlichen versuche ich, mein Leben weiterzuleben. Leider mit gemischten Ergebnissen.«
Wir hatten das College bald erreicht. Wes Regan war ein massiger Mann mit einem grau melierten Bart und arbeitete im Studentensekretariat des Carlton-Colleges. Ms Terwilliger hatte Wes’ Nichte einen Sommer lang kostenlos unterrichtet, und darum hatte Wes das Gefühl, ihr einen Gefallen schuldig zu sein.
»Folgender Deal«, sagte er, sobald wir ihm gegenübersaßen. Adrian trug Khakihosen und ein salbeifarbenes Hemd, das für die Vorstellungsgespräche großartig gewesen wäre. Jetzt kam es etwas zu spät. »Ich kann Sie nicht einfach einschreiben. Collegebewerbungen sind lang und erfordern Schülerstammblätter, und das können Sie unmöglich in zwei Tagen erledigen. Ich kann Sie allerdings als Gasthörer aufnehmen.«
»Wie bei der Steuerbehörde?«
»Nein. Gasthörer bedeutet, dass Sie am Unterricht teilnehmen und die erforderlichen Arbeiten anfertigen, aber keine Noten dafür bekommen.«
Adrian öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Ich konnte mir nur vorstellen, was er dazu sagen wollte: Arbeit zu leisten, ohne Anerkennung dafür zu bekommen. Eilig kam ich ihm zuvor.
»Und was dann?«
»Dann, wenn Sie in, oh, ein oder zwei Wochen eine Bewerbung zusammenschustern können – und angenommen werden – , dann kann ich Ihnen rückwirkend einen Studentenstatus verschaffen.«
»Was ist mit finanzieller Unterstützung?«, fragte Adrian und beugte sich vor. »Kann ich etwas Geld dafür bekommen?«
»Wenn Sie sich qualifizieren«, antwortete Wes. »Aber Sie können erst dann einen Antrag stellen, wenn Sie angenommen wurden.«
Adrian sackte zurück, und ich konnte seine Gedanken erraten. Wenn es zwei Wochen dauern würde, bis er sich einschreiben konnte, würde es zweifellos auch eine Verzögerung beim Antrag auf finanzielle Unterstützung geben. Adrian hatte vier oder mehr Wochen vor sich, in denen er bei Clarence leben musste, und das war wahrscheinlich noch eine optimistische Einschätzung. Ich rechnete halb damit, dass Adrian aufstehen und alles ablehnen würde. Stattdessen zeigte sich aber Entschlossenheit auf seinem Gesicht. Er nickte.
»Okay. Fangen wir mit diesem Gasthörerding an.«
Ich war beeindruckt.
Außerdem war ich neidisch, als Wes den Kurskatalog hervorholte. Ich hatte mich mit den Kursen an der Amberwood zufriedengegeben, aber ein Blick auf echte College-Angebote zeigte mir, dass Welten zwischen den beiden Schulen lagen. Die Geschichtskurse waren konzentrierter und gingen tiefer als alles, was ich mir hätte vorstellen können. Adrian hatte jedoch kein Interesse an diesen Kursen. Er legte es sofort auf die Fakultät für Kunst an.
Am Ende schrieb er sich für zwei Einführungskurse in Öl- und Aquarellmalerei ein. Sie fanden dreimal die Woche statt und folgten stets unmittelbar aufeinander.
»Das ist eine Erleichterung, wenn ich mit dem Bus herkomme«, erklärte er mir beim Aufbruch.
Ich sah ihn verblüfft an. »Du nimmst den Bus?«
Mein Erstaunen schien ihn zu belustigen. »Was sonst? Die Veranstaltungen finden tagsüber statt. Du kannst mich doch nicht hinfahren.«
Ich dachte an Clarence’ abgelegenes Haus. »Wo um alles in der Welt willst du einen Bus
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