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Bloodman

Bloodman

Titel: Bloodman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pobi
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bis heute Nacht auf diese Weise in Sicherheit bringen würden.
    Soweit die Blicke reichten, war er der einzige Mensch am Strand. Er sah sich nach dem Haus um, ein geometrischer schwarzer Keil vor einem bläulichorangefarbenen Himmel, so, als ob Richard Neutra den Rorschachtest entworfen hätte. Das Licht von der Wasseroberfläche spiegelte sich rotorange in den Fensterscheiben, und eine dunkle Schattenlinie kroch an der verglasten Fassade herunter, die zum Strand hinausging. Das Haus sah aus, als würde es aus den Dünen aufsteigen, und Jake dachte daran, wie er einmal zusammen mit seiner Mutter am Strand den Sonnenaufgang beobachtet hatte, nachdem sie die ganze Nacht Mallomars gegessen und einen klassischen Filmmarathon auf DBS angesehen hatten.
    Warum konnte er sich hier nicht konzentrieren? Was störte seine Gedanken? War es das Chaos, das im Haus herrschte? War es die Erinnerung an seine Mutter? War es der Mistkerl, der die Frau und das Kind in Stücke geschnitten hatte? Waren es diese unheimlichen kleinen Gemälde? Oder lag es schlicht und einfach daran, dass er nicht hier sein wollte? Dass er sich zurück in die Stadt sehnte, zu seiner Frau und seinem Sohn, weit fort von diesem Ort, den er den größten Teil seines Lebens zu vergessen versucht hatte? Zum Teufel, war er hier vielleicht für alles verantwortlich?
    Während die Sonne höherstieg, kroch ihr Licht die Düne herab, und Jake spürte, wie sie die Feuchtigkeit von seinem Körper wegbrannte. Im Sand stehend betrachtete er den Rand der Welt irgendwo weit im Osten, und er wusste, dass er nicht fortkonnte. Nicht jetzt. Noch für eine ganze Weile nicht. Ich bin zurückgekommen, um mich um meinen Vater zu kümmern, sagte er sich. Aber jetzt gibt es viel Arbeit zu tun. Hier lauert ein Monster. Ein Monster, mit dem kein anderer fertig werden kann. Ein Monster, das niemand kennt, außer mir. Ein Monster, das sonst niemand finden kann.
    Gehäutet.
    Ich bin gekommen, um meinem alten Herrn zu helfen. Nicht, weil er es verdient hätte oder mir noch irgendetwas an ihm läge. Sondern weil das eben die Aufgabe eines Sohnes ist. Und was soll ich wegen der Vergangenheit unternehmen? Nichts. Denn da gibt es nichts, was ich noch ändern könnte.
    Gehäutet.
    Es ist kein Zufall.
    Gehäutet.
    Ich will nicht, dass er es ist.
    Gehäutet.
    Nicht jetzt.
    Gehäutet.
    Nicht nach all der Zeit.

7
    Jake stand in der Küche und schlürfte seine achte Tasse Billigkaffee einer No-Name-Sorte, abgeschmeckt mit einem Tütchen Zucker, das er von der Kaffeetheke im Kwik Mart hatte mitgehen lassen. Seine Haare waren immer noch nass von einer heißen Dusche, und er fühlte sich besser. Jedenfalls war die Zweifel-Abteilung in seinem Kopf halbwegs beruhigt, wozu immer das auch gut sein sollte.
    Aus zehn Metern Entfernung sah die endlose Zeile schwarzer Schrift, die in seine Haut tätowiert war, wie ein maßgeschneidertes Hemd aus. Er betrachtete sie als Teil seines neuen Ich, das begonnen hatte, als er aufhörte, auf Speedballs aus Heroin und Kokain und Baby-Abführmittel durchs Leben zu schweben. Das Ende des Vorher. Das Ende der Drogen und des Alkohols und der verlorenen Dreifachwette auf einen Herzinfarkt, an deren Begleichung er sich irgendwie vorbeigemogelt hatte. Das Ende der bösen Zeiten. Bevor er Kay und Jeremy gefunden hatte. Bevor sie ihm einen Kardioverter unter den Brustmuskel implantiert hatten, fast in der Achselhöhle, damit sein Herz nicht irgendwann einfach vergaß, zu schlagen. Bevor er zu dem Schluss gekommen war, dass das Leben doch nicht immer nur Scheiße war. Bevor der neue und verbesserte Jake Cole erwachte.
    Er vermisste das Kokain und das Heroin noch immer. Auch den Alkohol.
    Der Kaffee war gut. Er erhob die Tasse stumm auf das Vorher, auf das Andenken seiner Mutter. Auf die guten alten Tage. Bevor die ganze Geschichte irgendwie in Flammen aufgegangen war.
    Jake schenkte sich gerade eine weitere Tasse ein, als es klingelte. Er fragte sich, ob es Hausers Leute oder die Medien waren – mit beiden rechnete er früher oder später. Aus Gewohnheit nahm er den kalten Edelstahlrevolver von der Frühstückstheke, steckte ihn sich hinten in den Hosenbund und ging zur Tür, den Becher Kaffee in der Hand und ein geschmackloses Fleischwurstsandwich zwischen den Zähnen. Das labbrige Brot klebte an seinem Gaumen fest. Er nahm das Sandwich aus dem Mund und öffnete im gleichen

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