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Bloodman

Bloodman

Titel: Bloodman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pobi
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seine Umgebung. Was er anstarrte, lag jenseits der Mauer, jenseits des Bluts und des gesichtslosen Porträts, jenseits seiner Realität. Er starrte ein Bild an, das in seinen kleinen grauen Zellen wild herumflackerte, pulsierte, um sich schlug und kreischte und gegen seine Schädeldecke hämmerte, während es versuchte, ans Licht zu gelangen.
    Â»Er kommt.« Jacobs Stimme hallte wie ein Echo aus einem metallenen Raum dreihundert Meter tief unter der Erde. »Und ich kann nicht einmal die Tür verbarrikadieren.« Dann schloss er die Augen, vergrub sein Gesicht an der Brust seines Sohnes, und zum ersten Mal, soweit Jake zurückdenken konnte, weinte er.

21
    Das Wetter hatte einen Zustand des Gleichgewichts angenommen, eine letzte Ruhepause, bevor Mutter Natur mit der großen Wagneroper loslegte. Die Brandung klatschte sanft gegen die Küste, und der blaue Himmel hatte sich noch nicht mit Wolken überzogen. Sogar ganz im Osten am Horizont war noch keine Bewölkung zu sehen. Aber die Luft fühlte sich anders an, als wäre sie elektrisch geladen, und Jake konnte die Spannung an seinen Zähnen schmecken. Er fuhr bei offenem Fenster, und die träge Salzluft und das leise Summen der Atmosphäre bildeten die Kulisse für das weiße Rauschen, das durch seinen Kopf flackerte.
    Als er in die Einfahrt abbog, sah er einen Cellokasten in den Büschen neben der Garage lehnen, das schwarze Fiberglas bedeckt mit Zerbrechlich -Warnungen und Gepäckaufklebern vom Flughafen. Daneben standen ein alter Kleidersack, Kays Koffer und ein kleiner gelber Plastikkoffer in der Form eines Schulbusses. Er hatte sie noch nicht so früh erwartet, sonst hätte er einen Schlüssel hinterlegt. Dann dachte er an die Unordnung drinnen und kam zu dem Schluss, dass es vielleicht besser so war. Er ging ums Haus herum, um sie zu suchen.
    Kays Motorradstiefel standen am oberen Ende der verwitterten Treppe, die zum Strand hinunterführte. Daneben, wie ein Spielzeug, das man an den Rückspiegel hängte, standen Jeremys winzige Turnschuhe mit Klettverschlusszungen. Hundert Meter weiter südlich erblickte er sie. Jeremy hielt Kays Hand umschlossen und hüpfte mit seinem kleinen weißen Topfhut neben ihr her – der, den sie ihm im letzten Winter für Florida gekauft hatten.
    Kay trug enge Jeans und ein King-Khan-and–the-Shrines -T-Shirt, die Ärmel hochgekrempelt, so dass man die leuchtenden Tattooblitze sehen konnte, die ihre schlanken Arme hinabzuckten. Beim Gehen schwang sie sie locker aus den Schultern, während sich ihr Körper im Takt einer Musik wiegte, die sich noch in der kleinsten ihrer Bewegungen ausdrückte. Sie hatte sich die Tasche diagonal über die Brust gehängt – gut gegen Taschendiebe –, so dass der Riemen ihre Brüste teilte. Sie war klein und bewegte sich mit derselben kompakten Energie wie Jeremy, während ihre Haare im Wind flatterten. Jake stellte sich vor, wie sie riechen würden, wenn er gleich sein Gesicht darin vergrub. Sie sah hoch, erblickte ihn und kauerte sich neben ihren Sohn. Sie sagte etwas zu ihm, und sein Kopf zuckte hin und her, wie der eines kleinen Vogels auf der Suche nach Nahrung. Als sie auf Jake deutete, entdeckte er ihn endlich und rannte los.
    Â»Daddy!«, schrie Jeremy und übertönte mit seiner hohen Stimme sogar die Brandung.
    In diesem kurzen Augenblick bröselte der ganze Rost aus Jakes Leben heraus. Sein Vater, Madame X und ihr Kind, Hauser und Dr. Sobel, die blonden Pferdehaare in der Beweismitteltüte und Dr. Reagans unterirdischer Autopsiesaal zerrannen zur Bedeutungslosigkeit. Er lief seinem Sohn entgegen, nahm den Jungen hoch und umarmte ihn ein bisschen zu fest und ein bisschen zu lange. Jeremy begann zu strampeln, und Jake setzte ihn wieder ab.
    Â»Hey, Moriarty«, sagte er und drückte seinem Sohn einen Kuss auf die Wange. »Wie geht’s, wie steht’s?«
    Jeremy lachte und warf den Kopf in den Nacken. »Ich habe eine Muschel gefunden, Daddy! Mami hat sie! Wir sind mit dem Bus gefahren.«
    Â»Daddy ist froh, dass ihr hier seid.«
    Â»Wir haben MoonPies gegessen! Riesige MoonPies! «, verkündete Jeremy enthusiastisch.
    Â»Tatsächlich?«
    Kay sah fast so aus, als würde sie erröten, und ihr sommersprossiges Gesicht verzog sich zu ihrem typischen, sanften Lächeln. »Willst du auch ein paar MoonPies ?«, fragte sie und warf sich in seine

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