Bloodman
vermied es dabei bewusst, irgendetwas zu berühren.
»Sie könnten es ja mal versuchen.«
Jake blieb regungslos stehen und starrte hinab auf das Foto, das er hatte fallen lassen. »Ich habe einen eingebauten Apparat â ein ICD .«
»Sie hatten recht, ich verstehe nicht .«
Jakes Augen lieÃen das Foto auf dem Boden nicht los. »Es ist ein Kardioverter. Eine Art Schrittmacher.«
»Schwaches Herz?«
Nein, meinem Herzen gehtâs glänzend, sonst bräuchte ich ja keinen Apparat, der dafür sorgt, dass es weiterschlägt. »Ich habe früher nicht so gut auf mich aufgepasst, wie ich es vielleicht gesollt hätte, und das hat zu einer Kardiomyopathie geführt.« Seine Augen wichen nicht von der Fotografie. »Wenn mein Herz ins Stolpern kommt, sollte das Implantat die Lage regulieren.« Die Frau lächelte zu ihm hoch, ohne zu ahnen, dass sie in einem Jahr â zwei? drei? â für die Menschen in ihrer Umgebung zu einem Alptraum werden würde. »Ich nehme an, es liegt an diesem aufziehenden Gewittersturm. Jedes starke Magnetfeld kann den Apparat beeinflussen.« Er hob den Kopf. »Auch wenn es nicht passieren sollte.«
»Wir bringen Sie zu einem Kardiologen.«
Jake schüttelte den Kopf. »Es kommt eben gelegentlich vor.« Was gelogen war.
»Das hier ist nicht gerade der ideale Job für jemanden mit einem schwachen Herzen, Jake.«
Jake schüttelte erneut den Kopf. »Die Arbeit hat keinen Einfluss auf meinen Puls. Normalerweise jedenfalls nicht.« Er bückte sich und hob das Foto auf. »Ich kannte sie.« Er stellte das Bild auf das Sims des Elektrokamins zurück, wo es bleiben würde, bis die Angehörigen kamen, um alles einzupacken.
»Sie kannten ⦠sie?«, fragte der Sheriff und wies mit dem Daumen über die Schulter in Richtung der auf dem Boden liegenden Leiche.
»Sie war die Krankenschwester meines Vaters. Rachael Irgendwas.« Er betrachtete das lächelnde, lebendige Gesicht, das ihn von dem Foto ansah. Selbst auf dem Bild war kaum zu übersehen, dass sie seiner Mutter ähnelte.
DrauÃen hörte man weitere Autos vorfahren, gefolgt vom Zuschlagen von Türen.
Hausers Kiefermuskeln verknoteten sich zu einer neuen Form, und seine Augen schalteten um auf Cop-Modus. »Langsam kriege ich das Gefühl, dass jemand Sie aufs Korn genommen hat.« Er wandte sich ab und blickte aus dem Fenster. Der aus weiÃen Kastenvans bestehende Konvoi der Spurensicherung und ein zusätzlicher Streifenwagen aus Southampton waren eingetroffen. Auf der gegenüberliegenden StraÃenseite stand eine Reihe von Journalisten auf den Zehenspitzen, die Hälse gereckt wie Alpakas im Streichelzoo.
»Lassen Sie uns rübergehen und mit den Arschlöchern sprechen«, grollte Hauser und ging zur Tür.
Aber Jakes Augen waren auf die Frau gerichtet, die auf dem Boden ausgestreckt lag. Sie hatte im Leben ausgesehen wie seine Mutter. Und jetzt vielleicht noch mehr.
35
Jake brauchte eine Stunde, um das Haus von Rachael Macready zu durchsuchen. Alter vierundvierzig, 213 4 Whistler Road, Southampton, NY . Diesmal stellte Conway keine Fragen, er hörte einfach zu und tat, was ihm gesagt wurde. Die Leute von der Spurensicherung begegneten Jake mit neuem Respekt. Während er letzte Nacht noch als Eindringling gegolten hatte, war er heute ein Kollege. Ein paar Anrufe bei Hausers Sekretärin hatten Details über Jakes Verhalten im Leichenschauhaus am Morgen zutage gefördert, und der Büroklatsch hatte sich seine eigene Version der Wahrheit über ihn gebildet. Gestern Nacht hatten die Tätowierungen und seine Kleidung noch Fremdheit signalisiert. Heute waren sie bereits zu einer Art spirituellem Rüstzeug überhöht.
Jake lehnte an Hausers Streifenwagen und rauchte eine Marlboro, als der Sheriff aus der Tür trat. Seine Gesichtsfarbe hatte wieder jenes wächserne Apfelgrün angenommen wie letzte Nacht im Beisein von Madame X. Er lehnte sich neben Jake an den Wagen und streckte die Hand aus. »Darf ich eine Zigarette schnorren?«
Auf der anderen StraÃenseite waren die Medienvertreter zugange â eine blitzende Lichterschau aus eingefrorenem Grinsen und pomadisiertem Haar, der Gesellschaftstanz von Menschen ohne echtes Talent. Jake und Hauser ignorierten sie.
»Sie rauchen?«
»Nur dann, wenn ich den Geruch nach Erbrochenem in der Nase habe«, sagte Hauser.
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