Bloodseal: Flucht ins Ungewisse (German Edition)
ununterbrochen anrief oder mir nervtötende SMS schrieb, wie Wo bist du? oder Komm heim! Aber sie war es nicht. Es war Simon!
Als ich seine Stimme hörte, war der ganze Ärger mit Matt wie weggeblasen. Und als er dann fragte, was ich auf einem stillgelegten Bahnhof tat, und gleich darauf die Bombe platzen ließ, als er sagte, er sei hier, hatte ich doch tatsächlich vergessen zu atmen.
Ich war Hals über Kopf nach draußen gestürmt und da stand er dann. Inmitten der Gleise und abgestellten Waggons. Seine blau-silbern gesträhnten Haare, die unter dem Cap hervorlugten, waren unverkennbar.
Ohne Halten warf ich mich in Simons Arme. Seine schlaksige, dürre Statur stand im vollkommenen Widerspruch mit seinem Charakter, der immer auf Action oder Schlägereien aus war. (Auch wenn er so gut wie keine Ausdauer hatte …)
„Hey!“ Beinah wären wir beide umgefallen. Zuerst wirkte er überrascht, dass ich so auf sein Erscheinen reagierte. Doch schließlich schloss er seine Arme um mich, hob mich hoch und drehte sich mit mir einmal im Kreis.
„Wie konntest du mich hier finden?“, fragte ich in seine Schulter, als er mich wieder abgestellt hatte. Er roch wie immer nach einem Hauch von Lack.
Simon nahm mich an den Schultern und schob mich ein wenig von sich weg, sodass er mich ansehen konnte. Trotz allem hatte er markante Gesichtszüge, die auf Strenge hinwiesen – was völliger Schwachsinn war, denn wenn Simon vieles war, ernst und streng war er nur selten.
Ich kann es immer noch nicht glauben, Simon steht vor mir!
Er grub in einer der Taschen in seiner Hose, wirbelte dann sein Handy in seiner Hand herum. „Ich hab dein GPS gehackt“, sagte er stolz. „Du warst an deiner neuen Adresse nicht aufzufinden. Diese … diese Waschkuh dort hat mich weggescheucht, als wäre ich ’ne Schmeißfliege.“
„Margret?“
Er tat so, als müsste er angestrengt nachdenken. Dann lächelte er. „Ja, ich glaube, das war der Name dieses Pudels.“
Er sah mich einen Moment lang nur schweigend an. Etwas wie Erkenntnis glänzte in seinen Augen, worauf er mir leicht von den Schultern über die Oberarme strich. Die Wunde an meinem Arm war kaum mehr der Rede wert, aber es ziepte etwas, als er die Stelle streifte. „Wie geht’s deinem Dad?“
Ich senkte meinen Blick, starrte auf die beiden etikettlosen Dosen an seinem lockeren Gürtel. Er trug sie wirklich immer mit sich herum. Gut zu wissen, dass sich manche Dinge eben nie änderten.
„Er ist immer noch bewusstlos, aber sie schließen ein Koma aus“, erklärte ich, wie es mir die Schwester beinah täglich per Telefon von seinem Krankenblatt ablas. „Seine Herzfrequenzen sowie die meisten anderen Werte sind normal. Er könnte jederzeit aufwachen. Sie meinen, er sei einfach nur erschöpft, was sich bei ihm körperlich auswirkt und …“
„Lora!“
Ich sah hoch.
„Hast du das irgendwo auswendig gelernt?“, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen. Beide hatten einen Schimmer von Silber darin. Bei ihm gab es immer wieder Neues zu entdecken.
Ich lächelte schwach. „In gewisser Weise ja.“ Dann schüttelte ich den Kopf. „Ist doch jetzt egal, du bist hier!“ Auch wenn ich es aussprach, glaubte ich es kaum.
„Sieht ganz so aus. Liz wollte auch mit, aber sie muss auch über die Feiertage ihrem Teilzeitjob nachgehen.“
„Typisch Liz, immer am Arbeiten“, sagte ich. „Wie lange bleibst du?“, fragte ich dann, um einer Enttäuschung vorzubeugen.
Er sah über seine Schulter zurück. Ich folgte seinem Blick. Eine Sporttasche stand am Gehweg. „Etwas“, sagte er, blickte dann über meine Schulter. „Und wer sind deine beiden Freunde, die dich mit ihren Blicken fast verschlingen?“
„Ignorier sie einfach“, antwortete ich, ohne mich umzudrehen. „Aber zur Sicherheit sollten wir hier weg, so können wir nicht reden! Bei Gelegenheit muss ich dir auch jemanden vorstellen!“ Simon hätte sicher seine Freude an Cass.
Ich nahm seine Hand und zog ihn hinter mir her, in Richtung Straße. Weg von Matt. Als ich es wagte, zurückzublicken, sah ich, wie Matt lässig (und immer noch halb nackt) in der Tür lehnte, mich argwöhnisch beobachtete. Nick stand neben ihm. Aber so wie es aussah, ließen die beiden mich fürs Erste ziehen. Will ich auch hoffen!
Ich ließ mich an dem Tisch nieder, der von den Fenstern am weitesten weg war. Simon setzte sich mir gegenüber und ließ seinen Blick durch das kleine Café schweifen. Cass hatte es mir einmal gezeigt, als ich nach der
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