Bloody Mary.
hat man schon von ... so etwas gehört, aber mir war nicht klar, daß Gespräche vom Wetter abhängen.«
»Nur bei schönem Wetter möglich, sagt der Dekan«, fuhr der Praelector fort. »Er ist der Fachmann. Ich gebe mich mit so etwas nicht ab. Man versteht so schlecht, was dieser verfluchte Mensch sagt. Bei seinem Zustand nicht überraschend, aber vermutlich bin ich zu zartbesaitet. Grauenhafter Zustand. Mir tut der arme Teufel immer leid. Wie schrecklich, so aus dem Leben zu scheiden.«
Sir Cathcart schwieg. Er fühlte sich selbst schrecklich. Er hatte den Dekan und den Praelector immer als ausgesprochen rationale, für Aberglauben überhaupt nicht empfängliche Menschen betrachtet, und plötzlich herauszufinden, daß beide überzeugte Spiritisten waren, beunruhigte ihn fast so sehr wie das Wissen, daß der Obertutor eben den Mann ermordet hatte, mit dem sich der Praelector noch am selben Abend unterhalten wollte, falls es das Wetter zuließ. Und daß sich die Leiche oder der Kadaver, oder wie auch immer man ermordete Personen nennen mochte, noch im College befand – und obendrein in einem grauenhaften Zustand –, war seinem Seelenfrieden auch nicht gerade zuträglich. Es ging nun nicht mehr darum, daß in Porterhouse eventuell das eine oder andere verändert werden sollte. Es mußte sich verdammt noch mal eine ganze Menge ändern, und zwar, bevor Polizei und Medien überall herumstrolchten und sämtliche leitenden Fellows verhaftet waren. So etwas hätte dem College gerade noch gefehlt. Der alte Spitzname Schlachthaus wäre ihm dann sicher für immer. Er riß sich zusammen und legte dem Praelector tröstend eine Hand auf den Arm. »Hören Sie, alter Junge, warum gehen wir zwei nicht rein, setzen uns in irgendeine ruhig Ecke, und dann versuch ich mal, einen dieser College-Juristen zu erwischen. Es wird, glaube ich, wirklich Zeit, daß wir sie in diese Sache einweihen. Es ist ja eine ausgesprochen delikate Situation. Also, wie heißen die Leute?«
»Waxthorne, Libbott und Chaine«, antwortete der Praelector eher unwirsch und schüttelte den Arm ab. Er konnte es gar nicht leiden, wenn man ihn »alter Junge« nannte und so offensichtlich gönnerhaft behandelte, als wäre er Patient auf einer geriatrischen Station. »Allerdings werden Sie die um diese Uhrzeit nicht finden.« Er kicherte böse. »Genauer gesagt: Die finden Sie überhaupt nicht mehr. Waxthorne ist seit sechzig Jahren tot. Liegt auf dem Friedhof an der Newmarket Road. Und Libbott wurde ein paar Jahre später eingeäschert. Was aus Chaine wurde, weiß ich nicht genau, habe aber eine recht seltsame Geschichte gehört, er sei irgendwann im King’s College gelandet, wo sein Schädel als Trinkbecher benutzt wird. Hat mir Waxthornes Witwe verraten. Ich habe den Kontakt zu ihr aufrechterhalten, müssen Sie wissen, regelmäßig. Nette Frau.« Einen Augenblick lang wanderten seine Gedanken zurück zu den angenehmen Nachmittagen in ihrem Haus an der Sedley Taylor Road.
Neben ihm stellte sich Sir Cathcart auf eine weitere Reihe von Todesfällen ein. Je länger der Abend dauerte, desto grauenhafter wurde er. Dennoch versuchte er es noch einmal. »Ich dachte, die College-Anwälte seien ... Retter und ... Wyve«, sagte er schließlich. »Vielleicht sollte ich die beiden mal anrufen ...« »Ach, die«, sagte der Praelector. »Das würde ich bleiben lassen. Die haben mit der anderen Sache schon genug um die Ohren. Und je weniger Leute davon wissen, desto besser. Nein, nein, wir müssen diese Angelegenheit allein regeln. Und es ist eine schöne Nacht, also finden wir ihn bestimmt.« Sir Cathcart stierte zum Himmel empor und kaute an den Spitzen seines roten Schnauzbartes herum. »Sie reden immer von ›wir‹«, sagte er dann. »Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich noch weiter verwickelt werden will in ... diese ... na, Sie wissen schon.«
»Ganz wie Sie wollen. Ich kenne meine Pflichten. Außerdem wüßte ich nicht, wie Sie sich jetzt noch da rauswinden könnten. Wir sind alle beteiligt. Es geht um den Ruf des Colleges. Und ehrlich gesagt ... ach, vergessen Sie’s. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Am besten besprechen wir es mit dem Dekan.« Und mit diesem seltsam widersprüchlichen Schlenker ging der Praelector voran quer durch den Garten zum Aufgang des Dekans.
Sie trafen ihn an, als er gerade eine Tasse Kaffee trank. Auf dem Tisch neben ihm stand ein Teller mit halb aufgegessenen belegten Broten. »Oh, hallo, Cathcart, Praelector. Tut mir leid, daß ich
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