Bloody Mary.
Es hieß lediglich, einige Freunde aus der Londoner City hätten das Geld bereitgestellt. Jetzt ist es natürlich zu spät. Das Kind ist in den Brunnen gefallen.« »Es ist nie zu spät, um Buße zu tun«, blaffte der Kaplan, den der Kellner beiseite geschoben hatte und der sich erst jetzt wieder zu ihnen gesellte. »Andererseits hat man dazu keine Gelegenheit mehr, wenn man ermordet wurde.« Diesmal war der Praelector schockiert. »Benutzen Sie dieses Wort nicht«, herrschte er den Kaplan an. »Das ist nicht offiziell. Wir dürfen nicht zulassen, daß sich Gerüchte verbreiten.« »Das will ich verdammt noch mal meinen«, sagte Sir Cathcart. »Ich jedenfalls hatte keine Ahnung.« »So ging es uns allen«, sagte der Praelector. »Ich habe es erst heute nachmittag erfahren.«
Der Kaplan sah ihn baß erstaunt an. »Aber Sie waren doch dabei, als er es zugab. Genau wie wir alle, und zwar nach seinem Einstandsdinner. Als er sich einen angesoffen hat.« Doch bevor die Frage zufriedenstellend geklärt werden konnte, wurde zum Dinner gerufen. Sie marschierten langsam in den Speisesaal, wo der Kaplan das Tischgebet brüllte. »Praelector«, flüsterte Sir Cathcart verschwörerisch, als sie endlich Platz genommen hatten, »jetzt können wir zwar nicht über Dr. Osbert reden, aber vielleicht sollten wir uns nachher unter vier Augen unterhalten.«
»Ganz wie Sie möchten«, sagte der Praelector so unbekümmert, daß es dem General die Sprache verschlug, »obwohl ich ehrlich gesagt dachte, wir sollten eher die andere ... ähem ... nun ja, Angelegenheit erörtern.« Sir Cathcart schaute sich vorsichtig um. »Die andere Angelegenheit?« wiederholte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. »Welche andere Angelegenheit?«
»Kann jetzt nicht drüber reden«, sagte der Praelector eilig.
»Ich hoffe bei Gott, daß der Kaplan die Klappe hält. Erst heute nachmittag habe ich den Dekan gebeten, es nicht weiterzusagen. Wenn es dem Obertutor zu Ohren käme, wäre wirklich die Hölle los. Der Zustand dieses Burschen ist schon schlimm genug, da muß man ihn nicht zusätzlich provozieren. Der ist so labil wie der Teufel persönlich.«
»Ja«, pflichtete ihm Sir Cathcart bei, und dachte bei sich, daß ein Mensch, der erst kürzlich den Sir-Godber-Evans- Gedächtnis-Fellow umgebracht hatte, allerdings ziemlich daneben sein mußte. Labil war da noch geschmeichelt. Er beobachtete, wie der weiter unten am Tisch sitzende Obertutor ganz unbefangen mit dem Fellow neben ihm plauderte, ohne irgendwelche Anzeichen für Mordlust an den Tag zu legen. Und vor allem überlegte er, wie er die Hälfte der zweitausend Pfund wiederbekam, die er Myrtle Ransby gegeben hatte. Er war so in Gedanken versunken, daß er kaum merkte, was er gerade aß, bis Canards pressés à la Porterhouse aufgetragen wurde.
Dieses Gericht war selbst nach Porterhouseschen Maßstäben außergewöhnlich. In dem Glauben, daß er – nach dem Einsturz der Kapelle und bei dem tristen Bild, das das Büro des Schatzmeisters von den College-Finanzen zeichnete – aller Wahrscheinlichkeit nach nie wieder Gelegenheit bekäme, ein großes Entenessen zu zelebrieren, hatte sich der Chefkoch mächtig ins Zeug gelegt. Genauer gesagt, hatte er drei der größten Entenzuchtbetriebe East Anglias aufgesucht und war mit über hundertdreißig gerupften Aylesburys und dem festen Willen zurückgekehrt, sie zu einem solchen Konzentrat zu verfeinern, daß dieses letzte Entenessen in die gastronomischen Annalen von Porterhouse eingehen würde. Tagelang hatten die uralten Pressen unter der Anstrengung geächzt, die größtmögliche Entenmasse auf das kleinstmögliche Volumen zu bringen, oder, um es anders zu formulieren, drei übergewichtige Enten zu einem Rechteck zu quetschen, das nicht größer als eine Streichholzschachtel war. Und auch wenn ihm diese bemerkenswerte Verkleinerung nicht völlig gelungen war, so hatte doch das Resultat, das schließlich vor General Sir Cathcart D’Eath plaziert wurde, so wenig Ähnlichkeit mit einer Ente oder etwas anderem auch nur annähernd Flug- oder Schwimmfähigem, daß er unter Schwierigkeiten seinen ersten Happen zerkaut hatte, ehe ihm klarwurde, was er soeben heruntergeschluckt hatte. Er betrachtete mit Stielaugen erst die Speisekarte und dann seinen Teller. »Guter Gott, ich dachte, das wäre irgendeine Paté«, murmelte er und versuchte, eine zusammengepreßte Feder aus seinen Zähnen zu befreien. »Das ist keine gepreßte Ente, sondern dreifach destilliertes
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