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Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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jemand vergißt«, sagte der Dekan grimmig, »auch wenn wir, wie ich mit Freuden feststelle, nie erfahren werden, ob sie gelächelt hat, als der Turm in die Luft flog. Nicht, daß es mich im mindesten interessierte. Jeder sexuell abnorme Mensch – und ein junger Mann, der Mrs. Biggs auch nur im mindesten begehrenswert finden konnte, mußte pervers sein –, hat den Tod verdient. Die anderen Folgen, die fand ich beklagenswert. Ganz abgesehen von den gewaltigen Wiederaufbaukosten, bekam dieser verfluchte Rektor, der verblichene Sir Godber Evans, dadurch die Gelegenheit, dem Collegerat seinen Willen aufzuzwingen. Der ganze gräßliche Zwischenfall hatte nur ein Gutes, nämlich daß der Rektor bald darauf durch seine Trinkerei ums Leben kam.« »Meines Wissens hatte er einen Unfall und ist gestürzt«, meldete sich Dr. Buscott vom anderen Ende des Tisches. »Er wäre nicht gestürzt, wenn er nicht betrunken gewesen wäre.«
    Doch Dr. Buscott war noch nicht fertig. »Und er hat dem College einen Chefpförtner als Rektor verpaßt. Ich habe nie begriffen, warum er Skullion ernannte. Immer vorausgesetzt, er hat es wirklich getan.«
    Beinahe hätte sich der Obertutor von seinem Stuhl erhoben, und das Gesicht des Dekans lief rot an. »Wenn Sie uns der Lüge bezichtigen ...«, setzte der Obertutor an, doch der Kaplan lenkte ab.
    »Der brave Skullion«, brüllte er. »Neulich hab ich ihn mit seiner Melone auf dem Kopf im Garten sitzen sehen. Er wirkte gut erholt und zweifellos vergnügter.«
    »Hatte er seine Flasche dabei?« wollte der Praelector wissen. »Seine Flasche? Ist mir nicht aufgefallen. Er hatte mal einen Beutel, wissen Sie. Der hing am Ende eines Schlauchs und rutschte manchmal heraus. Einmal bin ich, versehentlich natürlich, draufgetreten, und da ist der arme Kerl ...« »Halten Sie in Gottes Namen den Mund«, fuhr ihn der Obertutor an und schob seinen Teller weg. »Ich wüßte wirklich nicht, warum wir uns beim Nierenragout über Skullions Blasenprobleme unterhalten sollten.«
    »Ganz Ihrer Meinung«, sagte der Dekan. »Das ist ein höchst unappetitliches Thema und absolut unpassend bei Tisch.« »Warum ich keinen Appetit habe?« schrie der Kaplan. »Aber ich bin doch mitten beim Hauptgericht!« »Wenn vielleicht mal eben jemand sein Hörgerät abschalten würde ...«, sagte der Praelector.
    Die erste Anlaufstelle des Dekans auf seiner Suche nach einem neuen Rektor war der Rennstall Coft Castle, der dem Präsidenten der Alte-Herren-Gesellschaft »Old Porterhouse Society« gehörte, General Sir Cathcart D’Eath, bei dem er sich Rat holen wollte.
    »Hab es kommen sehen«, sagte der General. »Dumme Sache, wenn man einen Pförtner als Rektor nehmen muß. Noch schlimmer, einen Rollstuhlfahrer. Macht auf einem sportbetonten College einen schlechten Eindruck.« »Durchaus«, sagte der Dekan, der des Generals Einschätzung von Porterhouse nicht teilte. Für ihn war das College ein Hort traditioneller Werte. »Der langen Rede kurzer Sinn: Unsere Finanzen sind in einem desolaten Zustand. Wir brauchen einen sehr reichen Rektor, der uns wieder aus den roten Zahlen bringt. Fällt Ihnen ein geeigneter Kandidat ein?«
    »Könnten es mit Gutterby unten in Hampshire probieren.
    Gute Familie und Unmengen Geld«, schlug der General vor. »In letzter Zeit hatte es allerdings niemand leicht. Schwierig. Schwierig.«
    Bis spätnachts saßen sie in Sir Cathcarts Bibliothek. Aus dem Inneren von Sir Walter Scotts Rob Roy hatte der General eine Flasche Glenmorangie gezaubert. Der Dekan hingegen trank Armagnac, der aus Die drei Musketiere stammte. Das brachte Sir Cathcart auf eine Idee.
    »Vermutlich haben Sie Philippe Fitzherbert noch nicht in Betracht gezogen«, sagte er. »Der Junge vom alten Fitzherbert. Soll stinkreich sein. Hat ein Anwesen unten in der Gascogne, lebt aber hier. Eigenartiger Bursche. Mutter Französin.« Der Dekan schien verwirrt. »Reich? Wenn ich bedenke, wie sein Vater das College praktisch an den Rand des Ruins gebracht und die Anglian Lowland Bank in den Konkurs getrieben hat, auf die wir angewiesen waren, finde ich es erstaunlich, daß sein Sohn reich sein soll. Das College mußte dem alten Fitzherbert als Rektor Geld abpressen.« Sir Cathcart trank einen Schluck, und sein kupferroter Schnauzbart zuckte. Hinter den blutunterlaufenen Augen war etwas im Gange. »Hab was gehört.« Er verfiel in die abgehackte Sprechweise, mit der er schwerwiegende Überlegungen am besten ausdrücken konnte. »Seltsam. Sehr

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