Bloody Mary.
seltsam. Nach dem Krieg.«
Der Dekan saß starr in seinem weichen Sessel. Er merkte, daß auch der General seinen Instinkten gehorchte. Dabei unterbrach man ihn besser nicht.
»Sage Ihnen, wer mehr wissen könnte. Anthony, Anthony Lapschott. Macht Geschäfte. Nie ganz klar, was für welche. War unter anderem auch Verleger, hat ein kleines Vermögen gemacht. Schreibt in seiner Freizeit Bücher. Hab mal versucht, eins zu lesen. Bin nicht schlau draus geworden. Irgendwas über Machtverlust. Wußte nie so recht, was ich von ihm halten sollte,
aber offenbar kannte er Gott und die Welt. Hält sich heutzutage in Dorset auf. Landzunge von Portland. Wenn einer Bescheid weiß, dann er.«
Der Dekan dachte über Anthony Lapschott nach. Er hatte ihn als seltsamen jungen Mann in Erinnerung, der vor allem Freunde auf anderen Colleges hatte. Kein Porterhäusler mit Leib und Seele. Andererseits galt er als einer der wenigen ernsthaften Denker, die Porterhouse je hervorgebracht hatte. Ja, er würde Lapschott aufsuchen. Der Dekan hatte wieder so ein bohrendes Gefühl in der Magengrube.
5
Der Schatzmeister hatte ebenfalls starke Gefühle, wenn auch ganz anderer Art. Im Gegensatz zum Obertutor, dessen Beziehung zum Dekan Höhen und Tiefen kannte, konnte man nicht behaupten, daß der Schatzmeister zu beiden eine Beziehung hätte, in der es etwas anderes als Tiefen gäbe. Der Dekan und der Obertutor verachteten und verabscheuten ihn, er wiederum konnte sie nicht ausstehen. Seit er sich bei den von ihnen geplanten Veränderungen auf die Seite des verstorbenen Rektors und Lady Marys geschlagen hatte, war er für Dekan und Obertutor ein Verräter und der Mann gewesen, der Skullion rausgeworfen hatte. Was Skullion selbst von ihm hielt, ließ sich nicht in Worte fassen, nicht einmal von jemandem, der in einer weniger erbärmlichen Verfassung als der Rektor war. Unter diesen Umständen war es eine weise Entscheidung von Goodenough gewesen, sich an den Obertutor zu wenden und den Schatzmeister links liegenzulassen. Andererseits wußte der für die sogenannten Finanzen des Colleges verantwortliche Schatzmeister nur allzu gut, daß die Krise ihren Höhepunkt erreicht hatte. Die komplette Bausubstanz des Colleges, die Dächer und Regenrinnen, das Mauerwerk und die alten Holzfußböden, mußten ausnahmslos renoviert werden, und während sich alle anderen Colleges in Cambridge eine Generalüberholung geleistet hatten, war Porterhouse so schmutzig und verrußt wie eh und je. In der Nähe des Haupttors war ein Stück Regenrinne auf die Straße gefallen, hatte aber glücklicherweise niemanden getroffen, im Dach der Kapelle klafften etliche Löcher, und der Boden des Alten Hofes war in einem erbärmlichen Zustand.
Kurzum, falls man nicht rasch Gelder auftrieb, würde Porterhouse verfallen, und wieder einmal wäre der Schatzmeister der Schuldige. In dem verzweifelten Versuch,
diesem Los zu entgehen und sich Kenntnis darüber zu verschaffen, wie man Gelder auftreibt, hatte er kürzlich in Birmingham an einem Seminar über »Private Finanzierung der Hochschulbildung etc.« teilgenommen. Drei Tage lang hatte er sich eine Reihe Vorträge zu diesem Thema angehört und war sehr beeindruckt gewesen. Aus naheliegenden Gründen hatte er selbst nicht das Wort ergriffen, doch als der Schatzmeister eines Nachmittags aus einem Vortrag mit dem Titel »Privater Einfluß auf das Bildungswesen bei der Verwendung von Spenden« kam, den ein Don aus dem Peterhouse-College gehalten hatte, näherte sich ihm ein seltsam gekleideter Mann: Er hatte einen schwarzen Blazer an, einen hellbraunen Rollkragenpulli, weiße Strümpfe und Mokassins. Hinter den dunkelblauen Gläsern einer Sonnenbrille waren seine Augen kaum zu sehen. »Darf ich mich vorstellen, Professor«, sagte er und zog eine Visitenkarte aus seiner Brusttasche. »Ich heiße Karl Kudzuvine, persönlicher Assistent von Edgar Hartang bei Transworld Television Productions und Associated Enterprises.« Er sprach mit starkem amerikanischen Akzent, und seine Karte wies ihn tatsächlich als Karl Kudzuvine aus, persönlicher Assistent und Vizepräsident bei TTP etc. Des weiteren standen dort eine Reihe Telefon- und Faxnummern sowie eine Londoner und eine New Yorker Adresse.
»Als Vizepräsident und Mr. Hartangs persönlicher Assistent ist es mir eine Ehre, Ihnen zu sagen, wie erhellend ich Ihre Bemerkungen über privaten Einfluß bei der Verwendung von Spenden fand. Sie sollen wissen, daß Edgar Hartang Ihre Ansichten
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