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Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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aber in Ihrem Alter mußte es irgendwann passieren«, sagte der Arzt, zog sich einen Plastikhandschuh über und wies auf die Untersuchungsliege. »Das könnte jetzt ein wenig unangenehm werden, tut aber nicht weh.« »Das ganz gewiß nicht«, sagte der Dekan und blieb wie angewurzelt auf seinem Stuhl sitzen. »Ich bin nicht wegen eigener gesundheitlicher Probleme hier. Ich mache mir Sorgen um Skull ... den Rektor, wollte ich sagen.« Dr. MacKendly nahm bedauernd hinter dem Schreibtisch Platz, zog den Handschuh aber nicht aus. »Skullion? Überrascht mich gar nicht. Ständig im Rollstuhl hocken und in einen Beutel pieseln, das muß ja irgendwann Folgen haben. Natürlich können wir operieren, aber das ist nicht unproblematisch. Manchmal ejakuliert man nach hinten in die Blase.« »Ich kann mir kaum vorstellen, daß Skullion ... der Rektor irgendwohin ejakuliert«, sagte der Dekan ungehalten, »zumal er keine Prostataoperation braucht. Ich will von Ihnen wissen, was Sie von dem allgemeinen Gesundheitszustand des Rektors halten.«
    Der Arzt nickte. Den Plastikhandschuh hatte er immer noch an. »Vom allgemeinen Gesundheitszustand, hm. Tja, das ist nun wieder etwas ganz anderes. Schließlich kann man in unserem Alter kaum erwarten, kerngesund zu sein, und ...« »Ich rede vom Rektor, von Skullion, lieber Himmel«, fuhr ihn der Dekan an. »Von seinem allgemeinen Gesundheitszustand.« »Hab’s begriffen«, sagte der Arzt. »Und ich muß gestehen, daß es ihm gar nicht gutgeht. Wissen Sie, der Porterhouse Blue, den er hatte, war ein ganz schlimmer Schlaganfall. Erstaunlich, daß er ihn überhaupt überlebt hat. Er muß die Konstitution eines Ochsen haben.«
    Der Dekan musterte ihn sehr ungehalten. »Und würden Sie seine Fähigkeit, den Pflichten eines Rektors des Colleges nachzukommen, in den gleichen bovinen Termini umschreiben?«
    »Tja, da muß ich passen, Herr Dekan. Ich wußte noch nie so genau, welchen Pflichten ein Rektor nachkommen muß, außer im Speisesaal seine Mahlzeiten einzunehmen und bei offiziellen Anlässen und dergleichen anwesend zu sein. Ansonsten gibt es praktisch verdammt wenig zu tun, soweit ich das sehe. Das hat Skullion bewiesen, stimmt’s?«
    Der Dekan unternahm einen letzten Versuch, eine vernünftige Antwort zu bekommen. »Und wie lange bleibt ihm Ihrer Ansicht nach noch? Zu leben, meine ich.«
    »Da muß ich schon wieder passen«, sagte der Doktor. »Läßt sich unmöglich beantworten. Ist natürlich nur eine Frage der Zeit.«
    Jetzt reichte es dem Dekan. »Kennen Sie einen Fall, wo es das nicht war?« fragte er und stand auf.
    »Nicht war? Nicht was war?«
    »Eine Frage der Zeit. Nämlich vom Tage unserer Geburt an.« Nachdem er den Arzt allein gelassen hatte, damit der das verdaute – er war Spezialist für Rugbyknie, nicht Metaphysik –, ging der Dekan die Treppe hinunter auf die King’s Parade und dann übelstgelaunt nach Porterhouse zurück. Um ihn herum glotzten Touristen in Schaufenster, hockten auf der Mauer unterhalb der College-Kapelle oder fotografierten das Senate House. Der Dekan beachtete sie nicht. Sie waren Teil einer Welt, die er immer verachtet hatte.
    Zwei Tage später machte er sich unter dem Vorwand, in Wales einen kranken Verwandten zu besuchen, auf die Suche nach einem neuen Rektor für Porterhouse. Etwas sagte ihm, er müsse sich beeilen. Es war nur ein dumpfes Gefühl, aber solche Gefühle trogen ihn selten.
    Mr. Laplines ungute Gefühle im Magen waren mittlerweile so heftig geworden, daß gut zwei Wochen vergingen, ehe der mit der Arbeit seines Partners eingedeckte Goodenough ausreichend Zeit fand, um nach Cambridge zu fahren und mit dem Obertutor im Garden House Hotel mit Blick auf den Fluß Cam zu speisen.
    »Ich hätte Sie ja in meinen Londoner Club eingeladen, aber der ist völlig überlaufen, und hier können wir ungestörter reden. Außerdem ist ein Besuch in Cambridge immer angenehm, und Sie sind gewiß ein vielbeschäftigter Mann. Hoffentlich haben Sie gegen ein Essen hier nichts einzuwenden?« Der Obertutor hatte keinerlei Einwände. Über das Garden House hatte er schon viel Gutes gehört, und mittwochs war das Mittagessen im College-Speisesaal meist eher bescheiden. Er ließ sich einen sehr großen Pink Gin bringen und studierte die Speisekarte, während Goodenough von seinem Neffen im Leander Club erzählte, von seinem eigenen College, Magdalen in Oxford, und von Gott und der Welt plauderte, nur nicht auf die Angelegenheit zu sprechen kam, wegen der er

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