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Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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werden ließ.
    Nach dieser alptraumhaften Begegnung verschanzte sich Lady Mary jedesmal hinter einem massiven Schreibtisch, ließ einen Kassettenrecorder laufen und den Mann der Haushälterin zu ihrem Schutz in einer Zimmerecke Aufstellung nehmen. Das Gespräch mit Dr. Lamprey Yeaster verlief anfänglich recht gut. Wenigstens war der Historiker nüchtern, und seine Kenntnisse der industriellen und demographischen Entwicklung Bradfords vor dem Krieg waren beeindruckend. Gleiches galt auch – wenn auch auf völlig andere Art – für seine Ansichten über die britische Einwanderungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg und darüber, welche Konsequenzen es hatte, daß man Hunderttausende Westinder und Pakistani ins Land gelassen hatte. Nach zwanzig Minuten ließ ihn Lady Mary Evans aus dem Haus befördern, dann sank sie wieder auf die Chaiselongue, diesmal wegen nervöser Erschöpfung.
    Die nächsten sechs Kandidaten stellten sie alle nicht zufrieden, und der einzige, den sie ansprechend fand, teilte mit, er habe seine Meinung geändert und wolle mit Porterhouse nichts zu tun haben, weil es ein verdammt elitäres Scheißcollege sei. Außerdem wolle er seine Forschungen über Kartoffelkrankheiten in Strathclyde fortsetzen, und Cambridge könne ihm ohnehin nichts bieten. Als Lady Mary schließlich bei dem Vivisektor aus Southampton angelangt war und sich einen ausgesprochen widerlichen Bericht über seine Arbeit mit Katzen hatte anhören müssen, stand sie kurz davor, das gesamte Projekt abzublasen. Doch ihr Pflichtgefühl behielt die Oberhand. Sie rief Mr. Lapline an, wurde jedoch zu Goodenough durchgestellt. »Ich verstehe das Problem«, sagte er, als sie sich bitterlich über die mangelnde Qualität der Kandidaten beklagte und wissen wollte, warum man ihr einen Menschen geschickt habe, der es sich zur Lebensaufgabe machte, Katzen zu Tode zu quälen, wo sie doch ein besonderes Faible für Katzen habe,
    und... »Ja wirklich, Lady Mary, aber Porterhouse hat nun einmal einen ausgesprochen erbärmlichen Ruf, wie Sie wahrscheinlich wissen, und ...«
    Lady Mary wies darauf hin, daß ihr verstorbener Gatte Rektor von Porterhouse gewesen war und dort ermordet worden sei, daher kenne sie dessen erbärmlichen Ruf sehr wohl, und was das damit zu tun habe, daß man ihr einen Haufen Psychopathen vorbeigeschickt hätte.
    »Die Sache ist die«, sagte Goodenough, »daß es sich als äußerst schwierig erwiesen hat, waschechte Wissenschaftler zu finden, die nach Porterhouse kommen wollen.« »Bisher haben Sie keinen einzigen Wissenschaftler gefunden. Dieser gräßliche Mensch aus Bristol, der sämtliche Schwarzen in Länder zurückschicken will, aus denen sie gar nicht herkommen ...«
    »Sie meinen Dr. Lamprey Yeaster? Ich hatte ja keine Ahnung, daß er derart skandalöse politische Ansichten vertritt. Ich hatte mich darauf verlegt ...«
    »Von nun an werden Sie sich darauf verlegen, wie Sie es zu nennen belieben, die Kandidaten persönlich zu überprüfen. Ich bin gesundheitlich nicht auf der Höhe und weigere mich, Personen zu begegnen, die entweder geisteskrank oder sonst irgendwie absolut widerwärtig sind. Ist das klar? Und außerdem, weshalb sind Sie mit dieser Angelegenheit befaßt? Bisher hatte ich immer mit Mr. Lapline zu tun.«
    Goodenough seufzte vernehmlich in den Hörer. »Leider ist Mr. Lapline wegen seiner Gallenblase in ärztlicher Behandlung. Eine vorübergehende, aber sehr schmerzhafte Erkrankung, wie man mir sagte. Seien Sie versichert, daß ich in der Zwischenzeit alles Nötige veranlassen ...«
    Er legte den Hörer auf und ging ins Nebenzimmer zu Vera. »Tja, das vereinfacht die Lage«, sagte er. »Du kannst Cousin Purefoy erzählen, daß er das Stipendium hat. Sie will keinen der anderen mehr sehen. Dann muß ich ihn also doch kennenlernen.«

3
    Die Neuigkeit, daß er bald Sir-Godber-Evans-Gedächtnis- Fellow in Porterhouse sein würde, weckte gemischte Gefühle in Purefoy Osbert an der Universität Kloone. Er war sehr zufrieden in Kloone, wo er sein Studium begonnen und, nach dem Examen, auch seine Doktorarbeit verfaßt hatte – »Das Verbrechen der Strafe«, über die Unzulänglichkeiten des britischen Justizvollzugssystems. Andererseits zweifelte er nicht daran, daß er sich in Cambridge rundum wohl fühlen würde. Und der Stellenwechsel hätte so seine Vorteile. In der dortigen Universitätsbibliothek standen weit mehr Bücher als in Kloone, und in Bibliotheken fand Purefoy Gewißheiten. Gewißheit war für ihn

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