Bloss kein Kind
natürlich auch vorgestellt, der Vater wird selbstverständlich einbezogen und so weiter. Und wie sah’s dann aus, als die Kinder da waren? Der Vater war natürlich arbeiten, weil er das bessere Gehalt hatte, und wer blieb zu Hause? Die Frauen. Ich beobachtete auch, dass sich deren Horizont auf die Kinderwelt verengt hatte. Alle Gespräche drehten sich nur um die Kinder, das war nicht meine Welt. Ich habe mich dann auch zwangsläufig von einigen entfernt. Auch, weil ich nicht gut fand, wie einige Mütter mit ihren Kindern umgegangen sind: entweder emotionale Vernachlässigung oder extreme Überbehütung. Was mich vor allem abstieß, war diese ständige Gängelei gegenüber den Kindern: Tu das nicht, geh da nicht hin, fass das nicht an, usw. Ständig haben die Mütter auf ihre Kinder eingeredet. Habe ich z.B. ein Kind etwas gefragt, wer hat geantwortet? Die Mutter.
Was mir oft vorgeworfen wurde: ich sei kinderfeindlich. Dagegen habe ich mich vehement gewehrt. Ich meine: wenn in meiner Haltung irgendeine Form von Feindlichkeit sein sollte, dann bin ich vielleicht elternfeindlich. Weil ich es keinem Kind zumuten will, mich als Mutter zu haben.
Oft kam das Argument: ja, meine Kinder zahlen deine Rente! Meine Antwort war meist: Moment mal! Renten werden immer noch von wirtschaftlich relevanten Arbeitsplatzinhabern bezahlt und nicht von einer Nachkommenschaft, die keinen Arbeitsplatz hat oder ungenügend ausgebildet ist.
Nachdem ich verschiedene Weiterbildungsmaßnahmen mitgemacht hatte, habe ich die Stationsleitung der Wochenbettstation in einer Frauenklinik übernommen. Dort war ich der ganzen Geburtshilfe sehr nahe und es ist mir aufgefallen, aus welchen Gründen Frauen Kinder bekommen. Oft wurde gesagt: jetzt haben wir alles, jetzt könnte ein Kind kommen. Andere Gründe waren: Weil man es eben so macht. Weil ich die Erfahrung machen möchte. Weil Kinder ja so nett sind. Dabei haben die Frauen häufig nur an die ersten Wochen gedacht. Dass Kinder aber auch mal tagelang durchschreien, bis die Mütter (Eltern) den Säugling aus Erschöpfung am liebsten an die Wand klatschen würden, soweit reichte ihr Vorstellungsvermögen nicht. Da wurde mir dann klar, dass viele Frauen nicht Kinder kriegen um des Kindes willen, sondern damit sie nicht allein sind, oder damit sie ein Spielzeug haben, oder damit sie irgendwelchen Vorstellungen Anderer entsprechen. Selten hat eine Frau geäußert, wie es ist, wenn das Kind dann mal 15 Jahre oder 18 Jahre ist und womöglich Probleme macht. Es gab es auch Frauen, die schwanger wurden, um die Beziehung zu ihrem Partner zu retten. So wurden meiner Meinung nach die Kinder instrumentalisiert.
Nach der Ausbildung zur Hebamme konnte ich endlich meinen Traum verwirklichen und ins Ausland gehen. Ich wollte in einer mir fremden Kultur leben und arbeiten. Mit dem Deutschen Entwicklungsdienst war ich knapp 4 Jahre in der Arabischen Republik Jemen als Krankenschwester und Hebamme tätig. Ich habe hauptsächlich Frauen und Kinder betreut, welche nie einen männlichen Arzt aufgesucht hätten; so war ich für sie die “Doktora“. Die Geschlechterapartheid regierte dort und der Daseinszweck für Frauen bestand im Kinderkriegen, hauptsächlich Söhne. Einzelne Mädchen waren auch nicht so unwillkommen, weil die gut als Arbeitskräfte im Haushalt gebraucht werden konnten. Aber es ist auch vorgekommen, dass ein Ehemann seine Frau nach der Geburt des vierten Mädchens angespuckt hat und beleidigt rausgerannt ist. Ich habe einige Kinder sterben sehen, weil die Frauen nicht wussten, wie sie Babynahrung richtig herstellen sollten. Sie hatten meist nach dem 5. Kind die Nase voll vom “Kinderkriegen”, wollten nicht mehr stillen und haben irgendwelche Pulvermilch zusammengemixt, lesen konnten sie meist nicht und dann kamen die Eltern mit ihren sterbenden Neugeborenen und wir haben versucht, sie wieder mit einer Zucker-Salz-Lösung aufzufüllen, aber wir konnten nicht alle retten. Dort war die Mutterschaft obligatorisch für Frauen. Ansonsten konnten sie verstoßen werden, oder wenn mal 2 bis 3 Jahre kein Kind kam, hat der Mann mit einer Zweitfrau gedroht. Schließlich musste ja immer ein Beweis der männlichen Potenz vorhanden sein. Wurden zu viele Mädchen geboren, war natürlich die Frau dran Schuld. Mehr oder weniger erfolgreich versuchte ich, den Männern klar zu machen: das liegt an dir, du zeugst einen Jungen oder ein Mädchen.
Für jemenitische Frauen war es unfassbar, als Frau
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