Bloss kein Kind
dass ich mit einer Abtreibung ein Eingeständnis der eigenen Unsicherheit, der Angst, des Versagens, des Drückens vor Verantwortung manifest abliefern würde.
Auf der Beratungsstelle von Pro Familia habe ich ganz deutlich gemerkt, dass die dort eine gewisse Meinung und Einstellung haben und ich habe mich dort nicht gut beraten gefühlt. Nicht in beide Richtungen. Ich habe mich dann eher an Freundinnen gewandt, die allerdings alle kinderlos waren und die haben dann gesagt, dass es auch ein Leben ohne Kinder gibt und dass das in Ordnung ist.
Als ich meine beste Freundin anrief, mit der ich wirklich seelenverwandt war und zu der ich ein ganz enges Verhältnis hatte, um ihr von der Schwangerschaft zu erzählen, wollte sie mir auch gerade erzählen, dass sie nach vielen Jahren endlich schwanger geworden war. Sie konnte nicht verstehen, dass ich Zweifel hatte und unsere Freundschaft hat lange Zeit darunter gelitten.
Als ich dann - nach mehreren Besuchen allein - das erste Mal zusammen mit meinem Freund bei meinem Arzt war, sagte der plötzlich: ‘Ich kann das Kind nicht mehr sehen! Da waren ich und auch mein Freund zunächst erleichtert. Später hatte ich dann den Verdacht, dass der Arzt da etwas “nachgeholfen” hat, um mir die schwierige Entscheidung zu ersparen. Es wurde dann eine Ausschabung gemacht.
Die Beziehung zu meinem Freund ist ein Dreivierteljahr danach in die Brüche gegangen, sicher auch mit deshalb, weil ich mit meiner Entscheidung gewissermaßen gesagt habe: Ich will dein Kind nicht! In gewisser Weise ist es ja auch widernatürlich, wenn das eine Frau zu einem Mann sagt. Das heißt ja auch: Ich will unsere Zukunft nicht, ich will keine Gemeinsamkeit. Das ist schon ein harter Brocken. Reden konnten wir darüber aber nicht richtig, das ist nie zwischen uns verarbeitet worden.
Damals war ich 39. Etwa 4 Jahre später, in denen ich diese Trennung versucht habe, zu verarbeiten, habe ich meinen jetzigen Partner kennengelernt. Seit er Krebs hat und ich mich dadurch auch mit der Endlichkeit des Lebens auseinanderzusetzen habe, sehe ich Kinder als die Verkörperung des Lebens an. Auf der einen Seite stirbt etwas, auf der anderen Seite kommen Kinder nach. Ein Kind bedeutet: Leben, es ist der Gegenpol zum Tod.
Jetzt pflege ich meinen Partner mit der Liebe, die ich einem Kind nicht gegeben habe.
Gabriele, 43 Jahre, Kaufmännische Angestellte, verheiratet
„Man sollte einfach einen Führerschein machen, bevor man Kinder in die Welt setzt“
Ich selber hatte eine relativ turbulente und nicht sehr schöne Kindheit. Meine Mutter war zwar verheiratet mit meinem Vater, aber eigentlich war sie allein erziehend. Er ist zur See gefahren und kam deshalb nur einmal im Jahr nach Hause. Meine Mutter war in Vollzeit berufstätig. Von daher war ich ein Pflege-, Schlüssel- und Omakind. Und ich denke, dass mich das insofern geprägt hat, dass ich wusste: falls ich mal Kinder haben sollte, dann nicht unter solchen Rahmenbedingungen.
Als ich 10 war, sind wir in die USA ausgewandert. Dort gabs dann das erste Mal so eine Art ‘Familienleben’. Mit Mutter, Vater, Schwester und mir. Etwas, das ich bis dato nicht kannte. Mein Vater ging einem geregelten Beruf nach und wir sahen ihn regelmäßig. Meine Mutter war nach der Geburt meiner Schwester ganztags zu Hause. Meine Schwester, das “Schätzchen”, die klein war und süß und deshalb von meiner Mutter geliebt wurde. Später, viel später habe ich dann erfahren, dass mein Vater gar nicht der Vater meiner Schwester war. Er konnte es gar nicht sein, weil er im fraglichen Zeitraum auf See war. Und das wussten natürlich auch die Leute im Dorf. Somit war die Auswanderung auch eine Flucht vor der Schmach. In der Zeit, als mein Vater nur am Jahresende da war, wurden die erzieherischen Maßnahmen rückwärtig, gegenwärtig und zukünftig erledigt. Weswegen ich diese Zeit in sehr unangenehmer Erinnerung habe. In Amerika dann gab es massive Probleme auf Grund der Tatsache, dass sich meine Eltern ja kaum kannten, wenn man es so nimmt. Da erlebte ich nicht nur verbale, sondern auch körperliche Gewalt. Auch Geld war immer wieder Ursache von Auseinandersetzungen.
Weil ich das nicht mehr aushielt, bin ich mit 13 Jahren allein nach Deutschland zurück gekommen und hab da dann für ein Jahr bei den Großeltern in Norddeutschland gelebt.
Nach einem weiteren Jahr bin ich zur Mutter meines Vaters gezogen.
Als meine Mutter und mein Vater
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