Blue liquid (Kommissar Pfeifers erster Fall)
stieg sie in die
Dusche. Mit einem Seufzer der Erleichterung überließ sie sich dem weichen
Wasserstrahl und versuchte, den Gedanken an Rafael und seine schwachsinnige
Hochzeitsidee zu verdrängen. Sie blieb unter der Dusche, bis der alte Boiler
aufgab und kein heißes Wasser mehr ausspuckte. Erst dann stieg sie widerwillig
aus der flachen Wanne. Frierend trocknete Svea sich ab und schlüpfte in ihren
seidenen Lieblingsschlafanzug, den sie sich letzten Monat auf ihrem Kurztrip
nach New York bei Victoria´s Secret geleistet hatte. Schnell huschte sie ins
Schlafzimmer. Ihre langen, nassen Haare hingen ungekämmt herunter und
hinterließen eine Tropfspur auf dem Parkettboden, aber sie schenkte dem keine
Beachtung, denn sie wollte jetzt nur noch schlafen. Der Gedanke, ihre Haare
wenigstens zu flechten huschte flüchtig durch ihr Bewusstsein, doch sie
scheuchte ihn ungeduldig fort. Morgen früh würde sie zwar Mühe haben, die
Knoten aus ihren braunen Locken herauszukämmen, aber das war ihr angesichts der
fortgeschrittenen Stunde egal. Sie warf einen Blick auf ihren Digitalwecker.
Schon halb vier. Sie gähnte ausgiebig und provokativ laut. Dann hüpfte sie
geräuschvoll ins Bett. Doch nichts rührte sich auf der anderen Seite. Lange sah
sie auf den tief schlafenden Rafael hinab. Er lag auf dem Rücken, sein Mund
stand leicht offen und er schnarchte leise. Eine kleine Speichelspur rann sein
Kinn hinab. Er wirkte völlig entspannt. Sie ließ ihren Blick über seinen
schlanken Körper gleiten und empfand sofort und gegen ihren Willen wieder eine
unbändige Lust. Doch, sie rief sich zur Ordnung. Sie war sauer auf ihn und
würde es auch bleiben. Jetzt erst recht. Was fiel ihm eigentlich ein? Wie
konnte er einfach so entspannt daliegen? Das war wieder typisch. Der Mann
konnte einfach in jeder Situation schlafen.
Rafael Heinke war seit gut vier Jahren ihr Lebens- und Bettgefährte.
Sie hatten sich bei einer Uni-Fete kennengelernt und Svea hatte sich
augenblicklich in den gutaussehenden und immer zu Scherzen aufgelegten Mann
verliebt.
Er war sechs Jahre älter als sie und ein erfolgreicher
Unternehmensberater. Erst letztes Jahr war er zum Seniorpartner in der Agentur
aufgestiegen. Doch seit seiner Beförderung, war irgendwie alles anders
geworden. Ständig sprach er vom Heiraten und von Familie. Von diesem ganzen
Hochzeitskram war vorher nie die Rede gewesen. Vielleicht litt er an einer
Midlife-Crisis? Begann die bei Männern nicht so um die fünfunddreißig? Sie war
sich nicht ganz sicher. Vielleicht gab es bei den Männern auch so etwas wie
eine biologische Uhr. Aber tickte die in dem Alter schon so laut? Sie hatte
keine Ahnung. Aber eines wusste sie ganz genau, sie wollte etwas anderes. Sie
verlangte nach Macht und Geld und beides lag in greifbarer Nähe. Aber nur, wenn
sie am Ball blieb und nicht vorher eine Mutterschutz-Pause einlegen musste.
Wütend drehte sie ihm den Rücken zu. An Schlaf war wohl nicht zu denken. Doch
sie sollte sich irren. Kaum hatte ihr Kopf das Kissen berührt, war sie auch
schon eingeschlafen.
5
Sonntag, 09. Oktober 2011
01:45 Uhr
Pauline
atmete schnell und stoßweise. Das Geräusch ihrer Stöckelschuhe hallte dumpf von
den Wänden der alten Tiefgarage wider. Sie schleuderte während des Rennens die
Schuhe von den Füßen. Stolperte, fing sich jedoch schnell wieder und rannte
weiter. Immer einen Fuß vor den anderen, Pauline. Vorsichtig. Wenn du
fällst, bist du erledigt.
Mittlerweile
schwitzte sie. Ihre kurzen, braunen Haare klebten zusammen und standen wirr vom
Kopf ab. Der lange Pony fiel ihr in die Augen und versperrte ihr die Sicht. Sie
strich ihn ungeduldig beiseite. Plötzlich sah sie Licht. Straßenlaternen? Der
Ausgang! Sie versuchte, noch schneller zu rennen. Dabei spürte sie kaum, wie
sich winzige Steine in ihre bloßen Fußsohlen bohrten und kleine blutende
Verletzungen hinterließen. Ihre Lungen drohten zu platzen, sie brannten
förmlich und jeder Atemzug war ein willentlicher Kraftakt.
Pauline war eine durchtrainierte und geübte Läuferin. Sie kannte ihren
Körper gut genug, um zu wissen, dass sie am Ende ihrer Kräfte war. Nicht mehr
lange und sie würde aufgeben müssen. Sie versuchte, alle anderen Gedanken aus
ihrem Kopf zu verbannen. Roboterhaft dachte sie nur an eines: Laufen,
Laufen, Laufen ! Sie glaubte, wenn sie in einen bestimmten Laufrhythmus
verfiele, könnte sie es vielleicht schaffen zu entkommen.
Nur
noch zehn Meter und eine Schranke trennten sie von der
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