Blue
hinten, während ihre rechte nach der SIG griff und sie ihr an die Schläfe hielt. „Zum letzten Mal, du falsche Schlange, wo ist Tom?“
Estée begann , boshaft zu lachen. Es klang kalt, beängstigend berechnend. Es gab Blue das Gefühl, bereits verloren zu haben und das konnte und wol l te sie nicht hinnehmen.
„Du kannst machen, was du willst, Blue. Du erfährst nichts von mir. Igor wird mich holen und danach werde ich mächtig sein. Niemals mehr altern und ewig leben! Dein Schicksal wird sein, dass du Tom nie wiedersehen wirst. Vielleicht ist er ja schon tot.“
Estées höhnischer Ton ließ ihr die Nackenhaare zu Berge stehen. In bre n nender Verzweiflung schlug sie ihr mit voller Wucht mit der Waffe gegen die Schläfe und schickte sie ins Land der Träume. Wie ein schlaffer Mehlsack glitt die Prostituierte zu Boden und Blue ließ sie fallen wie einen unnützen Gegenstand. Ein Zittern erfüllte Blue und sie verspürte das unbändige B e dürfnis , zu fliehen. Hier raus, einfach weg.
„Bring sie in den Luftschutzkeller und kette sie an eine der Pritschen. Und vergiss den Knebel nicht. Ich will nicht, dass sie die ganze Bude zusamme n schreit“, befahl sie Da vid .
„Ist schon erledigt, Chefin.“
Danach nahm sie den Mantel und wollte durch die Tür verschwinden, als ihr noch etwas einfiel. „Sag Gabriel , dass er Boss informieren soll , und wenn irgend möglich soll er Toms Motorrad zu mir bringen. Ich hab noch Platz in der Garage.“ Es war ihr klar, dass sich Gabriel bereits zu Boss aufgemacht hatte, gleich , nachdem die Worte ihren Mund verl assen hatten .
Blue fuhr Richtung Escher Wyss, als ihr Blick auf den Beifahrersitz fiel. Vor ein paar Stunden hatte Tom noch d ort gesessen. Die dunklen Haare hatten ihm ins Gesicht gehangen, die grünen Augen waren auf sie gerichtet. Jetzt nahm sie nur noch sein en Geruch wahr . Ein warmes Aroma mit einem Hauch von Moschus und Nadelholz. Plötzlich wusste sie auch wieso. Sein Motorradhelm lag immer noch im Kofferraum. Am liebsten wäre sie aus dem Auto gesprungen, um den Helm zu sich nach vorn zu holen. Einzig das hupende Auto hinter ihr erinnerte sie daran, dass die Ampel auf Grün stand und sie weiterfahren musste. F luchend legte sie den ersten Gang ein und setzte ihre Fahrt fort.
Zu Hause warf sie ihren Mantel auf die Couch. Dabei fiel ihr Blick auf den Wohnungsschlüssel, den Tom auf dem Tisch abgelegt hatte. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Wie belanglos und kindisch waren plötzlich Streit und Meinungsverschiedenheiten, wenn man sich um einen geliebten Me n schen sorgte .
Ihre innere Flucht führte sie zum Kühlschrank. Sie öffnete ihn und blickte hinein , ohne wirklich etwas zu sehen. Der Inhalt war ihr ohnehin bekannt . Bier, ein paar Lebensmittel und eine Blutkonserve. Ihre Finger schlossen sich automatisch um eine Bierflasche und Blue holte sie heraus. Gedankenve r sunken ging sie zur Anrichte , um den Flaschenöffner zu holen, als ihr Blick auf die leere Flasche fiel, aus der Tom zwei Nächte zuvor getrunken hatte. Wie in Trance nahm sie die Flasche und betrachtete den Rand der Öffnung. Sie stellte sich Toms weiche, wohlgeformte Lippen vor, wie sie sich um den Flaschenrand gelegt hatten. Ein wohliger Schau d er durchlief sie. Einem inn e ren Zwang folgend, leckte sie mit der Zungenspitze über den Flaschenrand. Durch den schalen Geschmack von abgestandenem Bier drang Toms Essenz in ihre Sinne. Er schmeckte gut, warm. Wieder war die Moschus- und N a delholznote wahrnehmbar. Und noch eine Essenz war darunter. Sie ließ ihr Herz schneller schlagen. Ein Hauch von Pfeffer, mehr eine Erinnerung, als wirklich anwesend, breitete sich über die Geschmacksknospen ihrer Zunge aus. Auf ihrem Körper bildete sich Gänsehaut. Sie wagte kaum , zu hoffen. Tom war ein Träger. Warum war ihr die Pfeffernote nicht früher schon au f gefallen? Normalerweise war sie deutlich wahrzunehmen. Bei Tom war der Duft aber nur schwach vorhanden.
Toms Bierflasche legte sie gut geschützt in die Schublade zwischen die G e schirrtücher. Wie ein Erinnerungsstück aus vergangenen Zeiten. Dann ging sie ins Schlafzimmer und holte die zweite SIG, die Dolche und Reinigung s material aus dem Waffenschrank. Zurück im Wohnbereich setzte sie sich an den Esstisch und begann mit der Reinigung der SIG, die noch im Schulte r holster steckte, d as sie über die Stuhllehne gehängt hatte.
Siria Leandra Sangualunaris
Ein sanfter Luftzug ließ Blue den Blick heben und ein
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