Blue
Schaudern fuhr ihr über die Wirbelsäule. Andromeda näherte sich dem Tisch, an dem sie saß. Es schien, als ob Orions Schwester aus einem Vakuum heraustrat. Die Luft und das Licht zogen sich um sie herum zusammen. Blue erwartete beinahe ein ploppendes Geräusch, es blieb aber aus. Dieses Mal trug Andromeda eine schwarze Lederhose und ein e ebenso schwarze Lederweste, d ie sie vorn zugeknöpft hatte. Die Haare hatte sie zu zwei Zöpfen geflochten. Die Han d gelenke steckten in metallenen Manschetten, aus denen jeweils ein Dolchgriff ragte. Sie sah unglaublich aus. Schön und Respekt einflößend. Sie blieb vor Blue stehen und sah ihr lange ins Gesicht.
„Was willst du von mir?“, brach Blue schließlich das Schweigen. Ein zöge r liches Lächeln umspielte ihre Lippen und die Ähnlichkeit zu ihrem Bruder war nicht von der Hand zu weisen.
„Ich bin hier, um dir ein paar Dinge zu erzählen, die du unbedingt erfahren musst. Vor allem aber musst du alles daran setzen, Tom lebend zu finden.“
Blue hob fragend die Augenbrauen. Zum einen, w oher wusste sie von Toms Entführung? Und zum anderen, w arum sollte es so wichtig für sie sein, ob er lebte oder nicht? Andromeda schien ihre Gedanken zu lesen.
„Woher ich es weiß, spielt keine Rolle. Das Einzige, was wirklich zählt , ist, dass er lebt und freikommt. Ich habe gesehen, dass er für unser aller Zukunft wichtig ist.“
„ Aber er ist doch nur ein Mensch . “
„Sei nicht so arrogant, Mia Müller!“ Ihre Stimme polterte über Blue hi n weg und ließ die Luft erzittern.
„Woher weißt du, dass ich früher Mia Müller war?“
„Ich weiß so manches über dich. Genau deswegen bin ich hier.“ Sie ging vor dem Tisch auf und ab , und Blue lehnte sich mit verschränkten Armen im Stuhl zurück. „Du nennst dich jetzt Blue. Ich kann deutlich erkennen , w a rum du dir diesen Namen gegeben hast. Deine Augen sind mitternachtsblau. Im Gegensatz zu denen deines Vaters. Seine Augen waren rotbraun.“ Sie hielt einen Moment inne und schien mit den Gedanken in die Ferne zu schweifen.
Ein Keuchen dr ang aus Blues Brust. Ihr Vater? „Das ist unmöglich“, rief Blue und sprang auf. „Ich bin eine Waise und wurde von Pflegefamilie zu Pflegefamilie weitergereicht. Es ist absolut ausgeschlossen , dass du meinen Vater kennst.“
Andromeda lächelte mild. Und wieder hatte Blue das Gefühl , diese Augen zu kennen. Wie , wenn Boss sie anschaute. Es war die Art und Weise wie die Geschwister ihre Umwelt betrachte ten . W ie immer wusste sie nicht, woher sie diesen Ausdruck kannte.
„Du irrst dich , Mia, oder Blue. Ich kenne deinen Vater sehr gut und ich kenne auch deine Mutter.“ Andromeda machte eine Pause und Blue war froh darüber. Sie wusste nicht, wie sie ihre Aussage werten sollte. „ D u musst mir jetzt gut zuhören.“ Sie sprach mit Blue wie mit einem Kind. „Du bist eine Sangualunaris. So wie Orion und …“ Andromeda hielt inne und Blue ve r suchte immer noch herauszufinden, was das zu bedeuten hatte. Andromeda schluckte und sah dann zu Boden. „Du bist meine Tochter, Blue.“
Diese zwei Worte … meine Tochter … waren wie ein Stromschlag. Nein! Ihre Mutter war während ihrer Geburt gestorben, ihr Vater unauffindbar. So hatten es ihr die Behörden gesagt.
„Das ist eine Lüge.“
Sie lebte lieber mit der Illusion, dass ihre Eltern tot waren, anstatt d em Wissen, dass sie sie einfach weggegeben hatten.
Andromedas Blick wurde … wütend? „Nur damit du eins weißt , i ch lüge nicht! Ich musste dich damals weggeben, um dich vor Igor und Janus zu schützen. Leander hatte mich aus deren Händen befreit und wir beschlossen , unterzutauchen. Wir verliebten uns ineinander. Bald danach stellte ich fest, dass du unterwegs warst. Nur, mit einem Säugling zu fliehen , war schwierig und ich wollte dir ein Leben in ständiger Flucht ersparen. Das war der Grund , warum ich dich zum Babyfenster des Krankenhauses gebracht ha t te.“
„B lödsinn “, rief Blue . „Im Stich gelassen hast du mich. Mich einfach me i ne m Schicksal über geb en. Du woll test mich vor einem Leben auf der Flucht bewahren? Du weißt ja gar nicht, wie meine Kindheit ausgesehen hat.“ Ihre Stimme überschlug sich, das Herz donnerte ihr hart gegen die Rippen. Sie fühlte sich im Stich gelassen und zutiefst verletzt. „Sie haben mich geschl a gen und hungern lassen, weil sie nur scharf auf die Kohle der Behörden w a ren. Ich lief in abgetragenen Kleidern herum, mehr Lumpen als etwas
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