Blue
weniger ihrer Person, als seinem Cannabiskonsum zuschrieb. Aber was machte das schon.
„Hi Henk. Ich hab schon bessere Zeiten gesehen. Aber du kennst mich ja. Ich behalte den Kopf immer oben. Und wie geht’s dir?“
Er zuckte die Schultern. „Wie immer fantastisch. Und wenn du mir jetzt noch sagst, dass du hier bist , um meine Dienste in Anspruch zu nehmen, dann geht es mir noch besser.“
Blue setzte sich auf einen der Sessel, die er in der Ecke stehen hatte. Sie schaute sich im Studio um. Die Wände waren gepflastert mit Tätowiervorl a gen und Bildern, von denen sie wusste, dass Henk sie selbst gezeichnet hatte. Aus den Lautsprechern drang harte Rockmusik. Henk war von Kopf bis Fuß tätowiert, seine Ohren randvoll mit Piercings und in der Nase trug er einen massiven Ring. „Deshalb bin ich hier. Du darfst dich wieder einmal auf me i nem Körper verewigen.“
Er hob eine Augenbraue und stand auf , um seinen Skizzenblock zu holen. „Was soll’s denn sein?“
„Ich möchte, dass du mir am linken Oberarm, auf der Innenseite, eine Soldaten-Hundemarke stichst. Die Kette soll sich zweimal um den Oberarm winden.“ S ie griff nach dem Medaillon und holte es hervor. „An der Auße n seite möchte ich, dass du dieses Medaillon eintätowierst. Es soll ebenfalls an der Kette hängen.“
Henk hatte ihr zugehört und gleichzeitig damit begonnen zu zeichnen. „Und was soll auf der Plakette stehen? Ich nehme nicht an, dass sie blanko sein soll.“
„Da soll Tom und darunter das Datum 21. Nov ember in gotischer Schrift stehen.“
Er nickte und zeichnete weiter. Blue lehnte sich zurück und schloss die Augen. Schließlich hatte sie die Müdigkeit übermannt, denn Henk musste sie wecken, als er mit dem Entwurf fertig war. Sie betrachtete ihn und staunte.
„Das ist genau das, was ich mir vorgestellt habe.“
Es war halb v ier Uhr nachmittags und Blue tigerte unruhig vor dem Club auf und ab. Sie war zwar erst um v ier mit Gabriel und Boss verabredet, hatte aber keine Geduld mehr gehabt, um noch länger tatenlos in ihrer Wohnung auszuharren. Deshalb hatte sie sich bewaffnet und war mit dem Camaro zum Club am Bellevue gefahren.
Die beiden Männer waren noch nicht da und der Club hatte seine Türen noch geschlossen. Die Sonne schien winterlich vom Himmel und war bereit , bald unterzugehen. Durch die Ray - Ban Sonnenbrille beobachtete Blue die Autos, die vorbeifuhren. Ab und zu kamen auch Fußgänger. Das Klingeln ihres Mobiltelefons riss sie aus den Gedanken. Sie nahm den Anruf in E r wartung auf Nachricht von Tom oder Igor entgegen .
„Blue.“ Die schwache zittrige Stimme ließ ihr Herz stillstehen und ihre Knie weich werden. Sie musste sich am Auto festhalten.
„Tom, bist du das?“ Ein Räuspern drang an ihr Ohr. „Tom?“
„Blue, ich muss dir etwas sagen.“ Wieder hielt er inne. Sie schaffte es nicht , auch nur ein Wort herauszubringen . Ihre Kehle war komplett zu. „Igor will, dass ich dir sage, dass du heute um f ünf zum Gleis 21 Sektor D des Haup t bahnhofs kommen sollst. Allein und unbewaffnet.“
„Ich werde da sein, Tom. Halt e durch.“
Plötzlich schien er wieder Kraft gefunden zu haben, denn er schrie beinahe ins Telefon. „Nein! Komm nicht. Riskier nicht dein Leb…“
Dann hörte sie einen Fluch, eine Faust, die auf einem Körper landete und in der nächsten Sekunde schrie Tom auf. „Tom!“, rief Blue. Es raschelte in der Leitung. Das Handy wurde Tom gewaltsam aus der Hand gerissen.
„Du wirst kommen, Schlampe. Andernfalls bekommst du ihn in Einzelte i len zurück. Tag für Tag ein Puzzlestück mehr. Verstanden?“ Igors Stimme war frostig und berechnend.
„ V erstanden.“ Dann legte sie auf. Eisige Kälte machte sich in ihr breit. Verdammt! Sie würde ganz bestimmt nicht unbewaffnet zu diesem Kaffe e plausch gehen und glücklicherweise würden Igor und Janus Gabriel nicht sehen können. Dennoch wurde sie das Gefühl nicht los, dass Tom diesen Tag nicht überleben würd e . Er hatte außergewöhnlich schwach geklungen und sie wollte sich nicht vorstellen, wie sie ihn quälten. Energisch ging Blue neben ihrem Auto auf und ab, immer wieder auf die Uhr blick end . Wo bli e ben Boss und Gabriel , zum Teufel?
A ls sie laut losgeflucht hatte, legte ihr jemand die Hand auf die Schulter. Es war Boss und seine Augen musterten sie eindringlich.
„Was ist passiert? Du explodierst ja gleich.“
Sie setzte ihren Weg wieder fort. Auf und ab und auf und ab … Währen d dessen
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