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Bluescreen

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Titel: Bluescreen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Mark; Vennemann Greif
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Punkt. Es geht nämlichgar nicht so sehr um Sex an sich als vielmehr um einen fundamentalen Wandel in unserem Verständnis der Freiheit und um die Frage, was in dem Wettkampf, in den sich unser Leben zunehmend verwandelt, eigentlich auf dem Spiel steht. 4
    Wir müssen also über den Wandel selbst nachdenken, der in der Zeit Nabokovs längst begonnen hatte und der bis heute ein gutes Stück weiter vorangeschritten ist; über jene Transformation, die eine Welt hervorgebracht hat, in der wir zugleich frei und unterjocht sind. Die Rede ist von der sexuellen Befreiung.
     
     
     
    Befreiung impliziert die Freiheit, Dinge tun zu dürfen, die man ohnehin längst getan hat oder schon immer tun wollte. Sie macht einem zugänglich, was man als selbstverständlich empfindet, was nichts kostet und worüber man ohne irgendwelche Hindernisse verfügen kann. Sie entfernt die bleierne Last gesellschaftlicher Verbote. Doch selbst in der glorreichen Epoche der totalen Befreiung der Menschen, die in den Sechzigern begann und bis heute andauert, ist das, was vielen wie eine Befreiung vorkam, nichts anderes gewesen als eine Liberalisierung (eine Unterscheidung, die Herbert Marcuse verwendet hat). Liberalisierung ermöglicht den freien Handel mit ehemals streng regulierten oder tabuisierten »Waren« und schafft auf diese Weise Märkte für Dinge, über die wir vorher umsonst verfügten. In gewisser Weise führt sie dazu, dass Besitztümer, über die wir zuvor gar nicht groß nachgedacht haben, in dem Moment ihre Selbstverständlichkeit verlieren, in dem uns offiziell erlaubt wird, sie zu genießen. Am Ende wissen wir dann überhaupt nicht mehr, wie man sie auf die korrekte Weise besitzt, es sei denn, man hält sich an die neuen Regeln, die formuliert wurden, um den Handel mit diesen Waren zu steuern.
    Zu den wesentlichen Errungenschaften der sexuellen Befreiung gehören das Ende der Scham und die Legalisierung außerehelicher sexueller Beziehungen (ein Wandel, der sich über das ganze 20. Jahrhundert hinweg vollzog); die Entkopplung von Sex und Fortpflanzung (die 1960 mit der Einführung der Pille ihren Abschluss fand); die feministisch motivierte Reorganisation des Geschlechtsverkehrs rund um den Orgasmus und die Lust der Frau (etwas später, um 1970); und der Beginn der Entstigmatisierung der gleichgeschlechtlichen Liebe (seit 1970). All diesen Reformen lag die Absicht zugrunde, die soziale Ächtung von Praktiken aufzuheben, denen die Menschen ohnehin längst nachgingen.
    Im Unterschied zur Liberalisierung bemisst sich der Grad der Befreiung jedoch daran, ob man sich nun auch frei entscheiden kann, sex frei zu leben – die Sexualität zu ignorieren, asexuell zu sein usw. –, ohne aufgrund einer solchen Abweichung von der Normalität mit sozialer Schmach oder mit Bloßstellung rechnen zu müssen. Wer wirklich befreit wurde, sollte selbst darüber entscheidenkönnen, ob er nun Sex haben will oder nicht; es sollte möglich sein, Sex vollkommen gleichgültig gegenüberzustehen; man sollte in der Lage sein, die eigene Sexualität anzuerkennen oder zu ignorieren, wann und wie es einem gerade gefällt. Wir sollten die soziale Kategorie der Asexuellen einführen, die sich entscheiden, keinen Sex zu haben, genau wie andere beschließen, endlos spektakulären Sex zu haben. Wir sollten solchen Menschen nicht länger mit Argwohn oder Mitleid begegnen. Einer der grausamen Trugschlüsse der sexuellen Befreiung bestand in der Illusion, im Zuge der Liberalisierung sei man nur dann wirklich frei, wenn man Sex für das Allerwichtigste hält und gegenüber allen anderen permanent in aller Offenheit demonstriert, wie man sich darum bemüht. Man musste sozusagen beweisen, dass man ihn genießt.
    Wir hatten es plötzlich mit einer neuen Form der Unfreiheit zu tun. Im Nachhinein hat es den Anschein, als sei dieser Verrat an der sexuellen Befreiung ein Fehler gewesen, dem die Befreier gar nicht entgehen konnten. Über Jahrhunderte hinweg hatten Moralisten immer wieder gesagt: »Die Sexualität muss kontrolliert werden, weil sie so mächtig und so wichtig ist.« Aus genau diesem Grund sahen sich die sexuellen Befreier genötigt, im Gegenzug zu behaupten: »Gerade weil sie so mächtig und so wichtig ist, muss die Sexualität befreit werden.« Im Endeffekt wäre diese Befreiung jedoch weitaus wirkungsvoller gewesen, wenn die Reformer die Sexualität nicht mit dem Hinweis auf die zentrale Rolle befreit hätten, die sie im Leben einnimmt, sondern aufgrund ihrer

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