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Blüten, Koks und blaues Blut

Blüten, Koks und blaues Blut

Titel: Blüten, Koks und blaues Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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dem Schlafengehen wollte ich mich
erkundigen, ob mein Tip mit dem Radierer was taugte.“
    „Das werd ich morgen wissen“, antwortete ich. „Jetzt
hauen Sie sich erst mal in die Falle!“
    Schwankend ging er die Treppe hinunter.
    „Hat wohl was getrunken, hm?“ flüsterte Leclercq
mir zu. „Sieht so aus.“
    Der Nachtportier mischte sich ein:
    „Er hat mir unten ‘n ganzen Roman erzählt. Hatte
Mühe, ihn zu verstehen. Jedenfalls wollte er zu Ihnen, aber da er nicht wußte,
ob Sie schon schliefen... Daß er getankt hatte, merkte man sofort. Ich wollte
Ihnen gerade Bescheid sagen, als die Schüsse fielen.“
    Ich bat Leclercq, mir ein anderes Zimmer zu geben.
Dort zog ich mich im Dunkeln aus. Vorsicht ist besser als ‘ne schöne
Beerdigung... Vor dem Einschlafen betete ich, der Herr möge mir einen Traum
schicken, in dem Raymonde Saint-Cernin die Hauptrolle spielte. Ich hatte Glück:
Ich träumte von Ange Pellegrini.

Nestor
Burma zieht Zwischenbilanz
     
    In aller Herrgottsfrühe holte mich Leclercq aus
dem Bett. In meinem neuen Zimmer gab es kein Telefon. Ich mußte nach unten
gehen, um Pellegrinis Anruf entgegenzunehmen.
    „Hallo! Hab soeben erfahren, was Ihnen passiert
ist“, sagte der Korse. „Verdächtigen Sie jemanden? Können Sie sich einen Reim
darauf machen?“
    „Erinnern Sie sich?“ fragte ich zurück. „Gestern
haben Sie mich gefragt, wo ich mir das Gesicht verbeult hätte. Im Ex-Cargo war’s, bei einem Zusammenstoß mit einem gewissen Belami. Der Junge muß sich
jetzt einen anderen Spitznamen zulegen... Ich vermute, er oder seine Freunde
wollten mich um die Ecke bringen.“
    „Im Ernst? Sie haben die Saalschlacht
veranstaltet? Man hat mir was von einem besoffenen Kerl erzählt. Also Sie waren
das! Na, herzlichen Glückwunsch! Nicht zu der Alkoholvergiftung, sondern zu dem
Boxkampf. Aber ich muß Sie enttäuschen, die Freunde von Belami konnten Ihren
Kopf nicht als Zielscheibe mißbrauchen. Sind vorgestern aus dem Verkehr gezogen
worden. Ja, wir haben die Schlägerei als Vorwand benutzt, um alle einzusperren.
Alle auf einen Streich! Noch wissen wir nicht, was wir ihnen zur Last legen
sollen, aber uns wird schon was einfallen...“
    „Daher kann also nicht der Gegenwind wehen?“
    „Nein. Aber wäre es nicht möglich, daß der
Glatzkopf von gestern Sie aufs Korn genommen hat? Wollte Sie doch schon direkt
vor unserer Nase k.o. schlagen...“
    „Frédo? Nein, Kommissar. Schießen auf bewegliche
Ziele fällt nicht in sein Fach. Außerdem hab ich mich mit ihm ausgesöhnt.“
    „Er sich auch mit Ihnen, Burma? Bei diesen
Brüdern weiß man nie so genau... Wenn er’s nicht war, wer dann?“
    „Die Geldfälscher?“
    „Hm... Seit de Fabrègues’ Selbstmord verhalten
sie sich still. Keine neue falsche Banknote ist seitdem in Umlauf gebracht
worden. Meinen Sie, die hätten sich vom Druck aufs Abdrücken verlegt?“
    Er lachte schallend über sein brillantes
Wortspiel, verstummte jedoch plötzlich wie eine kaputte Sprechpuppe.
Stattdessen stieß er einen saftigen korsischen Fluch aus.
    „Monsieur Burma“, fuhr er dann mit heiserer
Stimme fort, „ich habe schon die ganze Zeit den Verdacht, daß Sie mehr wissen,
als Sie sagen. Stimmt’s? Und deswegen wollen die Fälscher Sie aus dem Weg
räumen. Ihre Anspielung auf das blaue Blut... Mir verraten Sie ja nicht, was es
damit auf sich hat. Aber irgend etwas muß es damit auf sich haben, da bin ich
mir ganz sicher!“
    „Scheiß was auf das blaue Blut, verdammt
nochmal! Mit dem kleinen Scherz verfolgen Sie mich wohl noch die nächsten zehn
Jahre! Wiedersehn! Durch die Schießerei bin ich spät ins Bett gekommen, und Sie
schmeißen mich aus dem Bett, bevor es hell ist! Werd mich wieder zwischen die
Laken legen, Kommissar.“
    Ich legte den Hörer auf die Gabel, mich selbst
aber nicht, wie versprochen, zwischen die Laken. Um rauszukriegen, was in
meinem Kopf vor sich ging, würde Pellegrini mich bestimmt überwachen lassen.
Ich mußte so schnell wie möglich den Künstler besuchen, der den offiziellen
Stellen in Nizza mit seinen Radierungen soviel Freude bereitete. Wenn der Korse
nicht von alleine auf Lebrot kam, wollte ich ihn nicht auf diese Spur lenken.
    Ein Taxi brachte mich aufs Land, mitten hinein
ins morgendliche Vogelgezwitscher. Das Gewitter hatte sich nicht entladen, doch
der Himmel war wieder klar. Ich wartete auf eine christlichere Uhrzeit und
läutete dann an der Haustür von Jean Lebrot.
    „Ich bin’s wieder“, sagte ich

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