Blüten, Koks und blaues Blut
fröhlich zu seiner
Haushälterin. „Erkennen Sie mich wieder? Ich hoffe, der Hausherr ist inzwischen
aus Nizza zurückgekehrt, oder?“
Sie nickte auf beide meiner Fragen. Ich schob
einen kleinen Schein in ihre schmutzige Hand.
„Bevor Sie mich anmelden... Darf ich Ihnen eine
Frage stellen? Wann ist Monsieur Lebrot aus Nizza zurückgekommen?“
Die Frau begriff sofort, daß irgend etwas im
Busch war. Doch schließlich hatte ich bezahlt, um eine Antwort zu erhalten. Sie
gab sie mir.
„Gestern abend um neun Uhr. Ich habe ihm von
Ihrem Besuch erzählt, und er ist sofort wieder weggegangen. Muß wohl ziemlich
spät nach Hause gekommen sein. Ich glaube, so gegen zwei Uhr die Haustür gehört
zu haben. Ist das alles, was Sie wissen wollten, Monsieur?“
„Ja, das ist alles. Ich danke Ihnen.“
Jean Lebrot empfing mich in seinem Atelier. Er
war ein Mann von etwas mehr als dreißig Jahren, klein, blond, mit beginnender
Glatze und unruhigen blauen Augen. Ich entschuldigte mich für die Störung, da
er bereits an der Arbeit war. Er versicherte mir, daß ich ihn nicht störte, und
drehte nervös meine Visitenkarte in den Fingern. Die Berufsbezeichnung Privatdetektiv fand er alles andere als beruhigend. Ohne weitere Umschweife fragte er mich,
was ihm die Ehre meines Besuches verschaffe. Obwohl er versuchte, einen ruhigen
Eindruck zu machen, schien er die Hosen gestrichen voll zu haben.
„Wie alle anderen haben Sie doch sicher vom Tod
des Monsieur de Fabrègues gehört“, begann ich.
„Selbstverständlich“, antwortete der Radierer,
wobei er meinem Blick auswich. „Ich hab’s in Nizza erfahren, wo ich
geschäftlich zu tun hatte. Es hat mich sehr berührt. Selbstmord, nicht wahr?“
„J... ja, Selbstmord. Ich bin von seiner Familie
beauftragt worden, die Gründe für diesen Akt herauszufinden. Kannten Sie den
Toten näher? Und könnten Sie eventuell Gründe für diese anscheinend sinnlose
Tat nennen?“
„Ja, ich kannte Monsieur de Fabrègues sehr
gut... Aber... Nein, ich wüßte nicht, was ihn dazu getrieben haben könnte.“
„Die Polizei...“ Bei diesem Wort winkte die
nackte Angst aus seinen Augen. „Die Polizei denkt ähnlich darüber wie Sie. Und,
offen gesagt, ich neige dazu, ähnlich wie die Polizei zu denken. Die einzige
Erklärung wäre die, daß der Graf vielleicht in eine unsaubere Sache verwickelt
war. Das jedenfalls versucht die Polizei zu beweisen, und zwar mit ihren
üblichen Mitteln: Nachforschungen, Verhöre usw. usf.“
Der Künstler war bereits blaß, jetzt spielte
sein Gesicht ins Grünliche. Er suchte sich eine Sitzgelegenheit und ließ sich
darauf fallen.
„Kognak, Monsieur Burma?“ fragte er mich, wobei
er Mühe hatte, überhaupt ein Wort herauszubringen.
Ich lehnte ab. Aus Taktik.
Doch es war ihm gleich, ob er mir einen Vorteil
verschaffte oder nicht. Sein Gemütszustand war jämmerlich, er brauchte
unbedingt eine Stärkung. Er nahm eine fast leere Flasche aus dem Buffet, goß
sich ein Glas ein und setzte sich wieder.
„Was Sie da sagen, ist niederschmetternd. Wie
kann ein Mann aus altem Adelsgeschlecht sich zu so etwas hinreißen lassen...“
Ich ließ einen Spruch über den Sittenverfall
unseres Jahrhunderts los und fuhr in meinem Bericht, den sein Schwächeanfall
unterbrochen hatte, fort:
„Mir dagegen fällt die Aufgabe zu, zu beweisen,
daß seine Motive eher im emotionalen Bereich zu suchen sind. Enttäuschte Liebe,
zum Beispiel...“
Mit meinem Besuch verfolgte ich das Ziel, den
Künstler zu beobachten, ohne selbst zuviel von meinem Spiel preiszugeben. Ich
stellte ein paar uninteressante Fragen, ohne mir die Antworten anzuhören.
Während Lebrot sprach, ließ ich meinen Blick durch das Atelier wandern, über
die Pressen und die verschiedenen Werkzeuge, die er zu seiner Kunst benötigte.
Auf einem niedrigen Regal sah ich zwischen einem Durcheinander von Papierrollen,
Töpfchen und ähnlichem Zeug ein Foto, auf dem ganz deutlich eine junge Frau zu
erkennen war.
„Übrigens, sind Sie mit Mademoiselle Andrieu
befreundet?“ fragte ich ihn, als ich mich kurz darauf verabschiedete.
„Mademoiselle Andrieu? Nie gehört.“
Hinter mir fiel die Tür des Ateliers ins Schloß.
Lebrot behauptete, Jacqueline nicht zu kennen. Dennoch stand das Foto des
Mädchens in seinem Atelier!
Ich stürzte in das Bistro gegenüber und dort zum
Telefon, um das Hôtel du Cirque anzurufen.
„Hören Sie, Leclercq“, sagte ich zu meinem
früheren Mitarbeiter, „ich brauche unbedingt
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