Blüten, Koks und blaues Blut
Gespräch gleich
auf Paris. Wie ging’s denn dem Eiffelturm, den Boulevards,
Saint-Germain-des-Prés? Und Montparnasse? Vor zwei Jahren nun habe sie die
Avenue Vavin verlassen, um sich hier an der Côte zu vergraben.
Mit der Geschwindigkeit eines Maschinengewehrs
sprudelten die Sätze aus ihrem schönen Mund. In wenigen Sekunden erfuhr ich,
daß sie in La Pergola wohnte, einer Villa an der Route de Juan, zusammen
mit einer Haushälterin, einem kleinen Esel und einer Ziege. Sie (Raymonde!)
stellte Fragen und gab gleich selbst die entsprechenden Antworten, sprang ohne
Übergang von einem Thema zum andern.
Was für ein Prachtweib! Ein heißes Eisen! Heiß
und verführerisch, diese junge Frau!
„Madame“, sagte ich, „wenn es Ihnen recht ist,
werde ich Ihnen, bevor ich nach Paris zurückkehre, meine Aufwartung machen...
Natürlich nur, wenn es Ihnen nicht ungelegen kommt.“
„Aber ganz und gar nicht!“ flötete sie.
Sie dachte schon an etwas anderes. Charles
Maurin geleitete mich zur Tür.
„Ich bitte Sie, die Dame nicht über meine wenig
erfreuliche Tätigkeit aufzuklären“, flüsterte ich ihm zu. „Und noch etwas
anderes: Mir gelingt es einfach nicht, gewisse altmodische Eigenarten
abzulegen. Da geht’s mir so wie Ihnen mit Ihrem Akzent! Gestatten Sie mir
deshalb eine Frage: Ist sie Ihre Geliebte?“
„Davon kann leider nicht die Rede sein“,
antwortete der junge Mann bedauernd.
„Dann darf ich also getrost loslegen?“
Er sah mich etwas überrascht an, lachte dann
amüsiert auf. Meine Offenheit gefiel ihm.
„Und Sie erzählen mir was von altmodischen
Eigenarten?!“ sagte er, immer noch lachend.
Nach dem Abendessen ging ich ins Eldorado. In der Pause suchte ich Jacqueline in ihrer Garderobe auf.
„Na? Hat der große böse Wolf das Rotkäppchen
schon verschlungen?“ fragte ich sie. „Weniger märchenhaft ausgedrückt: Hat
Pellegrini Sie inzwischen besucht?“
„Nein, noch nicht“, antwortete das Tanzgirl. „Ist
Ihnen soviel daran gelegen, daß er mich besucht und mir Angst macht?“
„Ganz und gar nicht! Aber Sie wissen doch, ich
bin von Beruf aus neugierig.“
Das rote Lämpchen über dem halb blinden Spiegel
blinkte auf. Die Show ging weiter. Ich verließ die Künstlergarderobe. Auf dem
Korridor traf ich nicht nur zwei halbnackte Kolleginnen von Jacqueline, sondern
auch eine — korrekt gekleidete — alte Garderobenfrau. Ihre Nase war schwarz von
Schnupftabak, und ihre flinken Äuglein verrieten, daß sie über alles Bescheid
wußte. Ich schob ihr einen Schein in die runzlige Hand und sagte:
„Das reicht einen ganzen Monat mit einunddreißig
Tagen lang für Schnupftabak. Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen, gehen
wir an einen verschwiegeneren Ort.“
Ganz begeistert von meiner Großzügigkeit,
öffnete sie eine Tür.
„Hier rein“, flüsterte sie verschwörerisch.
Wir betraten einen kleinen Raum, der
aufdringlich nach Parfüm und billigem Puder stank. Eine Lampe schickte ihr
schummriges Licht bis zu dem nicht mehr vorhandenen Spie-gel’
„Hat die Polizei Sie schon verhört?“ begann ich
mein Frage- und Antwortspiel.
„Die Polizei?“ rief sie erschrocken. „Heilige
Madonna! Warum sollte mich die Polizei verhören?“
„Die finden immer einen Grund... Also, in den
letzten Tagen haben sich hier keine Flics rumgetrieben?“
„Nein, ich sehe immer nur dieselben Gesichter:
streunende Kater und die festen Freunde der Mädchen. Alles Leute, die weniger
spendabel sind als Sie... Wissen Sie was? Sie erinnern mich an Monsieur Pierre.“
„Pierre de Fabrègues?“
„Wir nannten ihn alle nur Monsieur Pierre.“
„Hatte er ‘ne offene Hand, wenn ich das mal so
sagen darf?“
„Ziemlich offen, ja. Sie verstehen, er war ein
Aristokrat... Ein Mann mit Lebensart... Arme kleine Jacqueline... Wird wohl
niemanden finden, der ihn ersetzen kann... Oh, entschuldigen Sie, Monsieur...
Ich glaube, ich habe Sie eben aus ihrer Garderobe kommen sehen...“
Sie fürchtete, was Falsches gesagt zu haben, und
wurde rot. Ich beruhigte sie lachend.
„Nein, nein, ich habe nicht die Absicht,
Monsieur Pierres Erbe anzutreten. Jacqueline ist so was wie ‘ne Sandkastenliebe
für mich. Außerdem hat sie im Moment keinen Sinn für... Na ja, Sie verstehen
schon...“
„Oh ja, die Ärmste ist völlig durcheinander. Sie
ist so sensibel, so... sanft und liebenswürdig, die Kleine. War ‘ne
Freude, die beiden zusammen zu sehen! Richtige Turteltauben...“
„Wirklich? Was Sie
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