Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blüten, Koks und blaues Blut

Blüten, Koks und blaues Blut

Titel: Blüten, Koks und blaues Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
Vom Netzwerk:
geschrieben zu haben. Um mich zu veranlassen, nicht weiter
darüber nachzudenken, zahlt er mir 5 000 Francs aus der Hinterbliebenenkasse.
So ungefähr seh ich jedenfalls die Dinge.“
    „Und genauso müssen sie auch wohl liegen, stimmt’s?“
fragte Hélène herausfordernd. „Und das Attentat auf Sie?“
    „Dafür hab ich noch keine Theorie parat. Wird
nachgeliefert!“
    „Daran zweifle ich nicht... Kurz und gut, Sie
haben in achtundvierzig Stunden das Terrain hervorragend sondiert, scheint mir.
Aber... Haben Sie mich 900 Kilometer durch die Luft fliegen lassen, damit ich
Ihren bewundernswerten Scharfsinn zu bewundere?“
    „Nein. Es geht um eine Aufgabe, die ich nicht
übernehmen kann und deshalb Ihnen übertragen möchte. Sie sollen mit den
Hausangestellten aller Leute, die auf dieser Liste stehen, Kontakt aufnehmen
und sich die Briefumschläge besorgen, die seit dem 24. Juli eingegangen sind.
Und Augen auf bei den verheirateten Frauen!“
    „Ist der Geldfälscher denn eine verheiratete
Frau?“
    „Stellen Sie nicht dieselben Überlegungen an wie
Fabrègues! Nein, ich bin mir weniger sicher als der Graf, daß sein heimlicher
Schwarm mit dem Geldfälscher identisch ist. Aber wenn wir Madame X identifizieren,
ist das ein Riesenschritt nach vorn.“
    „Ganz bestimmt, Chef! Und nun die Anweisungen!
Ich höre.“
    „Bei Ihrer Suche müssen Sie auf diese
Handschrift achtgeben...“ Ich gab ihr als Muster einen Brief von Pierrre de
Fabrègues. „Der Brief, den Sie suchen, muß am 24. Juli, 23.15 Uhr abgestempelt
worden sein. Möglicherweise ist der Umschlag nicht vernichtet worden, obwohl
die Nachricht, die er enthielt, sicherlich vernichtend war.“

Selbstmord
Nr. 2
     
    In der Route de Juan stieg ich aus dem Taxi. Ich
befand mich ganz in der Nähe der Villa La Pergola , mußte nur noch durch
die Strauchheide gehen. Trotz der drückenden Hitze war der Spaziergang nicht
unangenehm. Die Luft dröhnte von dem Gezirpe der Grillen, Insekten summten
geschäftig; nur die dicken Fliegen hatten es bei diesem Wetter etwas schwerer.
Heuschrecken schreckten hoch, und Eidechsen huschten über den Weg.
    Wenig vertraut mit den Örtlichkeiten, verirrte
ich mich zunächst einmal. In dem ersten Bauernhaus, in dem ich nachfragte,
sagte man mir, La Pergola sei die Villa weiter unten, rechte Hand.
    Ich setzte meinen Weg fort. In der Ferne glänzte
die blaue Wasserfläche des Mittelmeeres in der Julisonne. Ich weiß nicht, warum
— jedenfalls näherte ich mich dem ocker- und rosafarbenen Haus nicht von vorne,
sondern von der Seite. Ich wollte mich gerade durch Rufen bemerkbar machen, als
Stimmen an mein Ohr drangen. Sie kamen von der Veranda, von der ich nur wenige
Schritte entfernt stand. Gleich die ersten Sätze erregten meine ungeteilte
Aufmerksamkeit.
    „Du willst also fort?“
    Die Stimme identifizierte ich sofort als die von
Raymonde Saint-Cernin.
    „In eine Wüste, wenn möglich“, antwortete eine
Männerstimme.
    Diese Stimme identifizierte ich sofort als die
eines Unbekannten.
    „Das ist doch verrückt.“
    „Vielleicht.“ Der Unbekannte lachte bitter. „Ich
bin nicht gekommen, um meinen Entschluß mit dir zu diskutieren. Wollte mich nur
verabschieden und dir sagen, daß... daß ich unschuldig war. Drei Jahre hab ich
dafür im Knast gesessen... Du siehst, sogar mein Vokabular hat sich dementsprechend
verändert.“
    „Hast du... sehr gelitten?“
    „Ach, was vorbei ist, ist vorbei. Nur... Ich
hätte mich weniger einsam gefühlt, wenn du mir geschrieben hättest. Na ja, das
erlauben die Konventionen wohl nicht...“
    „Du mußt nicht glauben, daß...“ begann die Frau,
doch er fiel ihr ins Wort:
    „Dann war eben deine Gleichgültigkeit oder
Gedankenlosigkeit schuld.“
    Es folgte ein verlegenes Schweigen, das der Mann
brach, mit einem Satz, der mein Herz stillstehen ließ.
    „Ich habe den Selbstmord nicht gewollt“, sagte
er tonlos. Der nächste Satz ließ mich jedoch aufatmen: „Am Abend vor ihrem Tod
ist sie bei mir gewesen, um das Rauschgift heimlich an sich zu nehmen.“ Es ging
also nicht um Pierre de Fabrègues! „Unglücklicherweise befand sich in dem
Säckchen eine Nachricht, die sie nicht rechtzeitig entdeckt und vernichtet hat.
Das hat mich belastet und zu meiner Verurteilung geführt. Alle Welt wußte von
Lauras Selbstmordabsichten, und alle Welt wußte auch, daß ich es wußte. Durch
meinen schlechten Ruf als Arzt haben sich die Geschworenen davon überzeugen
lassen, daß ich ihr das Zeug

Weitere Kostenlose Bücher