Blüten, Koks und blaues Blut
schien in Gedanken versunken, wie
geistesabwesend, und so war es ein Kinderspiel, ihm zu folgen. Er ist zu der
Galerie gegangen, die seine Werke ausstellt. Nebenbei bemerkt: Seine
Radierungen sind verflixt detailliert und präzise. Richtig pedantisch. Genau
die Arbeitsweise, die man zur Herstellung erstklassiger Blüten braucht.“
„Ist mir auch aufgefallen. Und weiter?“
„Er hat sich ein paar Minuten mit der Sekretärin
der Galerie über den Verkauf eines seiner Werke unterhalten. Völlig
unverdächtig. Ich stand keine zwei Meter neben ihnen und hab jedes Wort
mitgekriegt. Hinterher hat’s mir leidgetan. Daß ich so dicht neben ihnen
gestanden hab, meine ich. Danach ist er nämlich in eine Eisenwarenhandlung
gegangen, in einem Viertel, das nicht mal ich kannte. Ich konnte mich schließlich
nicht wieder neben ihn stellen und mich statt für Kunstwerke jetzt für Nägel
interessieren. Er hätte mich bestimmt erkannt. Als er aus dem Geschäft kam,
trug er ein Päckchen unterm Arm. Der Rückweg war etwas beschwerlich. Lebrot war
noch immer wie benommen. So als habe er getrunken und spüre jetzt die ersten
Wirkungen des Alkohols. Kennen Sie das?“ Er zwinkerte mir zu. „Wieder hier
angekommen, hab ich mich erneut den Qualen der Sonne und der Limonade
ausgesetzt.“ Unterm Strich hatte diese Aktion also nichts Großartiges ergeben.
Vielleicht war es etwas naiv gewesen, anzunehmen, Lebrot würde von einem
Bekannten zum andern laufen und mir so den Weg zu einer Fährte zur Spur weisen.
Na ja, hoffen und harren... Ich gab Leclercq die Freiheit zurück und bedeutete
ihm, daß ich allein sein wolle.
Ich trank mir mit Pastis Mut an, nahm
mein Herz in beide Hände und rief Kommissar Pellegrini an.
„Monsieur Burma!“ dröhnte der Korse. „Ich dachte
schon, Sie wären auch tot! Wo haben Sie gesteckt?“
„Das Mittelmeer macht mich sentimental“,
antwortete ich. „Hab mich den ganzen Nachmittag in den Sand gelegt, aufs Wasser
gestarrt und Pfeife geraucht. Und geträumt.“
„Sehr gefährlich, so was!“ lachte Pellegrini. „Man
schläft ein, und wenn man aufwacht, ist man ertrunken. Wie der arme Joseph, zum
Beispiel. Sie wissen doch, daß er tot ist, nicht wahr?“
„Sein angeheirateter Chef — oder wie man so was
nennt — hat’s mir erzählt. Mord?“
„Klar, was denn sonst? Wovon kann ein
Privatdetektiv angesichts des Mittelmeeres schon träumen, wenn nicht von einem
ermordeten Toten? Schon mal was von Berufskrankheit gehört?“
„Nein. Also, was sonst, wenn nicht Mord?“
„Mord durch Ertränken ist sehr selten. Die
Leiche müßte Spuren eines vorangegangenen Kampfes aufweisen. Tut sie in diesem
Fall aber nicht, wie der Gerichtsmediziner ausdrücklich betont. Auch war der
Mann noch nicht tot, als er ins Wasser fiel. Das sagt uns sein Mageninhalt.“
„Der des Gerichtsmediziners?“
„Der des toten Butlers natürlich, Sie
Scherzkeks! Ein Badeunfall kommt ebensowenig in Betracht. Die Leiche war
vollständig bekleidet. Also: Selbstmord. Er ist dem schlechten Beispiel seines
Herrn gefolgt. Dessen Tod muß ihn außerordentlich mitgenommen haben. Er schien
mir ziemlich durcheinander bei meinen Verhören.“
„Kann ich bestätigen“, bestätigte ich. „Deprimiert
und sonderbar, würde ich sagen. Einmal sagte er brav guten Tag, ein anderes Mal
erkannte er einen nicht mehr.“
Ange Pellegrini berichtete als nächstes über die
Nachforschungen bezüglich der nächtlichen Schüsse auf mich. Die Polizei
vermutete, daß der Schütze ein Baugerüst in einer Seitenstraße hochgeklettert
war. Der Nachtwächter verbrachte den größten Teil seiner Dienstzeit in der
Kneipe. Übrigens war er rein zufällig heute morgen nach Agen in Urlaub
gefahren. Pellegrini hatte seinen Kollegen dort Bescheid gegeben. Den Arbeitern
der Baustelle hatte der Alte jedenfalls nichts erzählt. Er war ohnehin sehr
schweigsam.
Ich bedankte mich, legte auf und begab mich auf
eine Erkundungstour rund um das Hôtel du Cirque. Der Kommissar hatte recht:
Der einzige Weg nach oben war das Baugerüst.
Meine Armbanduhr zeigte eine Stunde an, die sich
für ein Telefongespräch mit Paris eignete. Ich ging zur Post, und nur eine
Viertelstunde später hatte ich meinen alten Freund Marc Covet, den
Journalisten, an der Strippe.
„Ich hätte von Ihnen gerne einen genauen Bericht
über eine Strafsache, die so ungefähr drei Jahre zurückliegt. Es handelt sich
um Beihilfe zum Selbstmord einer gewissen Laura. Nachname unbekannt.
Weitere Kostenlose Bücher