Blüten, Koks und blaues Blut
besorgt und damit Beihilfe zum Selbstmord
geleistet hätte. Und dann kam noch hinzu, daß ich einer ihrer Erben war. Dabei
hatte ich keinen blassen Schimmer davon, verdammt nochmal!“
„War die Nachricht denn nicht für Laura gedacht?“
„Nein. Und das Kokain war auch nicht für sie
bestimmt, sondern für jemand, der an alles andere als an Selbstmord dachte.
Dieser Jemand hatte mich schon lange bekniet, seine Neugier auf Rauschgift zu
befriedigen. Um ihn nicht zu verlieren, hab ich schließlich nachgegeben. Ich
wollte den Koks in einer Riesenkiste schicken, zusammen mit den schönsten
Blumen und einem Gedichtband von Baudelaire. Nun, leider ist alles anders
gekommen...“
„Oh... Marcel“, stammelte Raymonde, „dieser
Jemand... das war ich, nicht wahr?“
„Ja, das warst du.“
„Aber... Du hättest das doch aussagen können...
Wenn du...“
„Das hätte nichts genützt. Meiner Verurteilung
wegen Drogenhandel konnte ich nicht entgehen.“
„Vielleicht wäre aber die Strafe milder
ausgefallen?“
„Bestimmt. Sechs Monate, höchstens ein Jahr
statt der drei und dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung.“
„Du hättest das aussagen müssen, Marcel!“
„Das Gesetz bestraft nicht nur den Handel mit
Drogen, sondern auch den Konsum.“
„Du meinst also...“
„...daß ich dich nicht in die Sache hineinziehen
wollte, ja.“ Wieder herrschte Schweigen. Und wieder brach es der Mann, diesmal
mit einem unangenehmen Lachen.
„Jetzt ist sowieso nichts mehr zu ändern“, sagte
er resigniert, „ich bin eben ein Gentleman.“
„Marcel!“
Das Seufzen der Frau ging in dem Geräusch
raschelnder Blätter unter. Der Mann erklärte, nun bleibe ihm nur noch,
fortzugehen und darauf zu hoffen, daß sie ihn in guter Erinnerung behalte. Sein
sarkastischer Tonfall war kaum zu überhören. Ein Stuhl wurde zurückgeschoben,
und die Frau hauchte ein weiteres „Marcel!“. Wahrscheinlich weinte sie lautlos.
„Du hast dich für mich geopfert, Liebling“,
stieß sie zwischen zwei Schluchzern hervor.
Wieder Schweigen. Die Reisepläne des nunmehr
Heimatlosen verblaßten vor dem tiefen Blick in die schönen Augen von Raymonde
Saint-Cernin. Wunderte mich überhaupt nicht!
Achselzuckend verließ ich mein Versteck hinter
den Sträuchern und ging um die Villa herum. Schließlich mußte ich mich ja
ordentlich ankündigen, mit Läuten an der Gartentür und so. Auf keinen Fall
durfte ich mir anmerken lassen, daß ich die vertrauliche Unterhaltung belauscht
hatte. Auf mein Klingelzeichen hin erschien die romantische Hausherrin. Sie
brauchte eine ganze Weile, bis sie mich erkannte. Ich stieß das Gartentor auf,
ging über den mit Iris gesäumten Kiesweg und stand vor ihr.
„Das ist aber nett von Ihnen“, sagte sie ohne
rechte Begeisterung. „Dann reisen Sie wohl bald ab, ja?“
Sie trug einen vielversprechenden Strandanzug,
der für sie entworfen zu sein schien.
Ich antwortete, daß ich in Geschäften hier sei,
noch einiges zu erledigen hätte und ihr meine angekündigte Aufwartung machen
wolle. Es sei doch recht, oder? Aber sicher doch! Was ich eigentlich beruflich
mache? Tja... Na ja, ich sei in Geschäften hier. Beruhigt stellte ich fest, daß
Charles Maurin jun. ihr diesbezüglich nichts verraten hatte.
„Kommen Sie doch auf die Terrasse“, lud sie mich
ein. „Sie trinken doch ein Gläschen?“
Aus ihren zarten Händen nahm ich einen Drink
entgegen, der die Müdigkeit in diesen Hundstagen verscheuchen sollte.
„Mein Dienstmädchen hat heute frei“, erklärte
sie. „Ich hoffe, ich ziehe mich nicht zu schlecht aus der Affäre
Ich versicherte ihr, daß sie sich sehr gut aus
der Affäre ziehe. Wir plauderten höflich so daher, nahmen hin und wieder einen
Schluck der eiskalten Erfrischung, doch der heimatlose Gentleman blieb
unsichtbar. Seine Anwesenheit machte sich lediglich durch die abwesende
Aufmerksamkeit meiner Gastgeberin bemerkbar.
Zum Abschied bestand sie darauf, mir ihre beiden
letzten Werke zu verehren. Unter einer Neuerscheinung stelle ich mir allerdings
etwas weniger Altes vor. Der jüngere der beiden Romane war vor drei Jahren
herausgekommen. Dennoch bedankte ich mich brav für die literarischen Rosen und
bat um die Erlaubnis, nach einem Taxi telefonieren zu dürfen.
„Das tut mir aber leid“, jammerte sie. „Mein
Telefon ist kaputt... So ein Pech aber auch!“
„Tja, das ist wirklich Pech“, mußte ich ihr
zustimmen.
Sie reichte mir ihre zarte Hand mit den
schlampig lackierten
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