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Blüten, Koks und blaues Blut

Blüten, Koks und blaues Blut

Titel: Blüten, Koks und blaues Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Kräfte
schwanden, doch um nichts in der Welt hätte er es zugegeben.
    „Junges Mädchen!“ lachte ich. „Sehr
schmeichelhaft. Leider kann ich das Kompliment nicht zurückgeben. Sie sind
nämlich alt geworden, mein Lieber! So alt, daß Sie nicht mal mehr einen
anständigen Toten abgeben. Und vergeßlich sind Sie geworden! Haben durch meine
Anwesenheit hier in Cannes, wo Sie sich doch schon seit geraumer Zeit
aufhalten, mit einem Schlage alle Bekannten vergessen! Wie vorsichtig von Ihnen...
und wie unvorsichtig, wenn man’s genau bedenkt. Übrigens sind Sie nicht der
einzige, der sich seit meiner Ankunft in die Isolation zurückgezogen hat. Es
gibt da noch jemanden, auf den ich später zurückkommen werde... Ein weiterer
Beweis Ihrer frühzeitigen Verkalkung ist die Liste mit den Freunden des Grafen.
Wie nett von Ihnen, mich auf Lebrot aufmerksam zu machen! Der Vogel ist so
schön schräg, aber als Spur taugt er leider nicht. Apropos Namenliste: Als Sie
sie abgeschrieben haben, haben Sie wohl eine oder zwei Personen ausgelassen,
stimmt’s?“
    Milandre grinste spöttisch, sagte aber keinen
Ton.
    „Außerdem habe ich Sie im Verdacht“, fuhr ich
fort, „die Nacht vom 27. auf den 28. nicht in Ihrem Bett verbracht zu haben.
Das ist genau die Nacht, in der Ronald Kree im Keller von Dufours Villa
gefangengehalten wurde. Ich hab so gegen zwei bei Ihnen geklingelt, hatte aber
keinen Erfolg. Dabei funktioniert die Klingel tadellos, wie ich heute morgen
feststellen konnte. Kein schlagender Beweis, meinen Sie? Da muß ich Ihnen recht
geben. Doch Monsieur Dufour hat, zerschossen, wie er war, noch die Kraft
aufgebracht, Noten von Wagners ,Fliegendem Holländer’ von der Galerie ins
Atelier zu schmeißen. Und am Morgen darauf sind Sie ohne Gepäck an Bord der
Jacht gleichen Namens gegangen. Spinnen wir ein wenig Seemannsgarn: Sie kennen
doch die Legende von dem verfluchten Van Straeten, dem Kapitän des ,Fliegenden
Holländers’, oder? Einen deutlicheren Hinweis hätte uns der plötzlich
erblindete Radierer nicht geben können. Und dann die Spritze, die Sie eben auch
gegen mich verwenden wollten... Im Krieg waren Sie ein hervorragender
Sanitäter, wie ich weiß, und Ronald Kree ist an einer fachmännisch gesetzten
Spritze gestorben. Ihre Gesundheit ist nicht die beste, Dédé. Wahrscheinlich
hat man Ihnen das Haimanéosyl verschrieben, das dem Engländer zum
Verhängnis wurde. Würden Sie mir jetzt vielleicht verraten, warum Sie den
Ärmsten gekidnappt und gefoltert haben?“
    Ich zündete mir eine Pfeife an. Die Nacht war
hereingebrochen. Grillen zirpten, und am nahen Fluß quakten Frösche. Im Schein
meines Streichholzes sah ich, daß Milandre die Augen geschlossen hatte. Tot war
er aber noch nicht. Ich fuhr fort:
    „Sie wollen nicht? Gut, dann werde ich Ihnen
meine These vorstellen: Sie suchten nach den falschen Banknoten, die in seiner
Bibel versteckt waren! Keine Ahnung, woher er wußte, daß daß Sie und Ihre
Komplizen die Blüten in Umlauf gebracht hatten. Jedenfalls wollte er Sie damit
erpressen. Warum haben Sie den lästigen Mitwisser nicht sofort beseitigt? Weil
Sie ihn lebend dem Chef Ihrer Organisation vorführen wollten. Der war entweder
nicht in der Stadt, aber aber Sie konnten ihn nicht erreichen. Deswegen die
Injektion des Stärkungsmittels, das nicht... besser gesagt: zu prompt gewirkt
hat! Dabei kommt mir ein Gedanke: Ist die Spritze vielleicht Ihre
Lieblingswaffe? Ist der arme Joseph nicht auch an einem kleinen Einstich
gestorben? Genug, um ihn ohnmächtig ins Wasser schubsen zu können, jedoch
zuwenig, um bei der Autopsie entdeckt zu werden? Der Gerichtsmediziner kann mir
viel erzählen. Sein Schlaf wird nicht durch übermäßige Phantasie gestört.
Fehlende Kampfspuren, Statistiken, die belegen, daß Mord durch Ertränken selten
vorkommt... Was hatten Sie eigentlich für mich vorgesehen , o König der Spritzen
aller Art? Dornröschenschlaf oder Stärkungsmittel?“
    Milandre hatte noch die Kraft, unverschämt zu
lachen!
    „Weder das eine noch das andere“, flüsterte er
heiser. „Die Spritze enthält heute ein schnellwirkendes Gift. Hab’s mir nur mit
Mühe besorgen können... Weniger laut als ein Revolver und genauso wirksam...
Todsicher, sozusagen... Hab mich zu sehr auf Ihre Seitenstiche verlassen,
Burma.“
    „Aber Vorsicht ist die Mutter der
Porzellankiste! Diese Weisheit haben Sie nicht vergessen. Sogar Schwierigkeiten
mit dem Motor haben Sie vorgetäuscht, um anhalten und sich

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