Blüten, Koks und blaues Blut
Liegt
im Pinienwald...“ Auf dem Läufer der Treppe rutschte ich aus, fing mich wieder,
stieß einen Schrei aus, schnitt eine Grimasse und faßte fluchend an meine linke
Seite.
„Was ist?“ fragte Dédé erschrocken.
„Ni... Nichts“, stöhnte ich. „Eine falsche
Bewegung, ein Stich in der Seite... Los, beeilen wir uns!“
Vor der Rezeption stießen wir mit einer
auffällig und billig geschminkten Rothaarigen zusammen. Mit sehnsüchtiger
Stimme fragte sie nach René Leclercq. Der Hotelier suchte also ebenfalls hinter
den Kulissen von Varietétheatern nach Abenteuern!
Ich setzte mich neben Milandre ins Auto, noch
immer hielt ich mir die Seite. Nach kaum fünfhundert Metern bremste Dédé und
hielt an. Irgend etwas war mit dem Motor nicht in Ordnung. Wir konnten jedoch
weiterfahren und bogen in die Küstenstraße ein. Neben uns tauchte eine Fabrik
auf, und gleich daneben eine Touristensiedlung. Der Werbespruch lautete wohl: Hier
geht’s uns besser als nebenan ! Sehr gelungen. Vor allem, wenn man bedachte,
daß es einem weder hier noch dort gutging... Und da war auch schon das
Pinienwäldchen. Eine stille Gegend, das Richtige für Fuchs und Hase.
„Wie auf einem Friedhof“, bemerkte ich. Milandre
lachte nervös auf. Die Zigarette in seinem Mund, die er sich noch nicht
angezündet hatte, wippte in seinem Mundwinkel.
„Also wirklich!“ empörte er sich. „Wie auf einem
Friedhof! Ein Vergleich ist das... Haben Sie studiert?“
„Ja, sogar mit ausgezeichnetem Abschluß. Aber
danach hab ich mich praktischeren Dingen gewidmet... Warum die Frage?“
„Weil... Sie drücken sich ziemlich treffend aus.
Nestor Burmas Untergang... Wie auf einem Friedhof... Hahaha!“
Seine rechte Hand, die schon die ganze Zeit nach
einem Feuerzeug gesucht hatte, kam wieder zum Vorschein... und zielte auf meinen
Nacken! Ich wich aus, warf mich auf Dédé und schoß ihm in die Beine. Gut, daß
ich meinen Revolver seit unserer Abfahrt in der Hand hatte! Die
Injektionsspritze, mit der Milandre mir in den Hals hatte stechen wollen,
rollte auf den Boden. Das führerlose Auto fuhr in Schlangenlinien auf eine
junge Akazie zu, fällte sie und legte sich drei Meter vor einem Flüßchen auf
die Seite.
Ich konnte rechtzeitig aus dem Wagen springen,
im Gegensatz zu Dédé, dessen Beine eingeklemmt waren. Doch konnte er noch seine
Hände frei bewegen, was er mir auch sofort bewies. Er schoß das gesamte Magazin
seiner Automatic leer. Was kümmerte ihn jetzt der Lärm, den er
veranstaltete! Doch Wut und Schmerz trübten seinen Blick, und ich wurde nicht
getroffen. Ich schoß zurück. Er stieß einen Schrei aus und ließ seine Waffe
fallen. Ich hatte ihn am Arm getroffen.
Ich lief zurück zur Straße und hielt das nächste
Auto an. „Privatdetektiv“, stellte ich mich vor. „Hier mein Ausweis. Sie fahren
jetzt nach Cannes und suchen Kommissar Pellegrini. Überall! Sagen Sie ihm daß
ich hier auf ihn warte. Und kommen Sie nicht auf die Idee, sich Ihrer Pflicht
zu entziehen! Ich notiere mir Ihre Autonummer. Beeilen Sie sich!“
Der Fahrer brummte etwas Unverständliches und
fuhr los. Ich ging zu Milandre. Sein Zustand war nicht berauschend. Wenn der
Korse sich zuviel Zeit ließ, konnte er gleich die Leiche mitnehmen.
„Der Artikel im Littoral hat Sie zu einem
falschen Schritt veranlaßt“, sagte ich zu dem Schwerverletzten. „Sie haben
geglaubt, ich würde meine Karten auf den Tisch legen. Und dem wollten Sie
zuvorkommen. Schon heute morgen hatten Sie Vorbereitungen getroffen, stimmt’s?
Waren grade dabei, Ihre Koffer zu packen. Als ich kam, haben Sie schnell die
Schranktür zugeknallt und abgeschlossen, damit ich nichts davon bemerkte. Aber
was wußte dieser Nestor Burma eigentlich? Sie waren nahe daran zu glauben, daß
ich mit meinen Ermittlungen nicht recht vorankam. Doch der blöde
Zeitungsartikel hat Sie zu schnellem Handeln animiert. Sie hätten mich in Ihrem
Haus umbringen können, heute morgen, als ich mir den Luxus erlaubte, Sie ein
wenig zu beobachten. Sie haben’s nicht getan, obwohl der hübsche kleine
Revolver bereits in Ihrer Tasche auf seinen Einsatz wartete. Als Sie den
Schrankschlüssel in Ihre Tasche fallenließen, gab es ein metallenes Geräusch...
Los, geben Sie sich einen Ruck!“ forderte ich ihn auf. „Ich werd mich für ein
paar Minuten in einen Priester verwandeln und Ihnen die Beichte abnehmen.“
Seine Brille war ihm bei dem Unfall vom Kopf
geflogen. Haß stand in seinen trüben, kurzsichtigen
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