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Blüten, Koks und blaues Blut

Blüten, Koks und blaues Blut

Titel: Blüten, Koks und blaues Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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jemand hier im Hause?“ fragte ich sie.
    „Nein, niemand. Madame ist früh zu Bett gegangen
und... Mein Gott! Ist ihr etwas zugestoßen?“
    „Nur eine leichte Unpäßlichkeit. Aber bemühen
Sie sich nicht, mein Freund ist Ärzt. Wenn Sie was gefunden haben, das wir
trinken können, stellen Sie doch bitte das Tablett auf die Treppe und rufen Sie
mich.“
    Ich ging wieder nach oben. Marcel Chevalme stand
benommen in einer Ecke des Zimmers.
    „Wie haben Sie Raymonde gefunden?“ fragte ich.
    „Ich bin ins Zimmer gekommen und hab nach ihr
gerufen. Aber sie hat nicht geantwortet. Auf dem Weg zum Bett — ich wollte das
Licht anknipsen — bin ich gegen... etwas gestoßen. Als ich dann Licht machte,
hab ich sie gesehen...“
    Der rechte Fuß der Schriftstellerin war nackt,
der linke steckte in einem eleganten Pantöffelchen. Ich stieg auf einen Stuhl
und untersuchte den Strick. Er war etwa einen halben Meter lang aufgerauht, so
als habe man ihn an einer Steinkante gescheuert. Ich fuhr mit dem Finger über
die Stelle und sah ihn mir an. Er war mit rotem Staub bedeckt. Ich ging
hinunter in den Garten, stellte mich unter den Balkon des Schlafzimmers und
ließ den Schein meiner Taschenlampe umherwandern. Es dauerte nicht lange, und
ich sah den fehlenden Hausschuh. Ich ging wieder nach oben, trat hinaus auf den
Balkon und schwenkte meine Taschenlampe hin und her, zum Dach und zum Baum
gegenüber, so als gäbe ich Zeichen.
    „Pech gehabt, Alter“, sagte ich zu mir selbst. „Madame
Saint-Cernin muß ihren Mörder nicht unbedingt gekannt haben. Er ist vom Baum
aufs Dach gelangt. Dann hat er unsere Freundin irgendwie auf den Balkon gelockt
und sie wie mit einem Lasso eingefangen. Bei der Aktion ist der rechte
Hausschuh in den Garten gefallen. Als Raymonde tot war, ist der Täter auf den
Balkon gesprungen, hat die Leiche ins Zimmer geschleppt und sie an die Lampe
gehängt. Den Stuhl, auf den er gestiegen war, hat er an seinen Platz
zurückgestellt. Der Blödmann wollte alles so hinterlassen, wie er’s vorgefunden
hatte. Nur um das Pantöffelchen hat er sich nicht gekümmert. War wohl nervös
und in Eile. Dabei hätte er ohne viel Rätselraten erraten können, wohin es
gefallen war...“ Die Haushälterin rief durch den Hausflur, daß unser Bier
bereitstehe. Chevalme ging hinaus, um es zu holen.
    „Der Mörder hat ‘ne regelrechte Turnübung
veranstaltet“, bemerkte er, als er mit den beiden Flaschen wieder ins
Schlafzimmer der ehemaligen Schriftstellerin trat.
    „Oh, er ist ein As! Hab schon mal mit ihm zu tun
gehabt. Ein hervorragender Akrobat.“
    Ich betrachtete die sterblichen Überreste der
schönen Raymonde.
    „Ich kann nicht anders, aber sie tut mir leid“,
murmelte ich. „Trotzdem... Sie hat immerhin den Tod von Pierre de Fabrègues auf
dem Gewissen. Außerdem steckte sie mit den Geldfälschern unter einer Decke
    „Ich fürchte, man kann ihr noch so einiges
anderes vorwerfen“, seufzte Chevalme.
    „Ah... Sie meinen... Übrigens, welche zwingenden
Gründe haben Sie veranlaßt, Frédos Loch zu verlassen? Schließlich laufen Sie
hier Gefahr, den Flics in die Hände zu fallen.“
    Chevalme schwieg.
    „Die Geschichte mit dem Testament vielleicht?
Sie können mir ruhig vertrauen, das wissen Sie doch. Im Laufe der Zeit müßten
Sie gemerkt haben, daß ich nicht gleich zur Polizei laufe.“
    „Ich wollte eine Erklärung von ihr“, begann er
vertrauensvoll. „Seit gestern habe ich viel gelesen. Und viel nachgedacht.
Zuerst habe ich den Brief Ihres Freundes aus Paris gelesen. Dann die alten
Zeitungen. Glauben Sie mir: Nichts, aber auch absolut nichts ließ damals darauf
schließen, daß Laura mich in ihrem Testament bedacht hatte. Oh, nicht viel, nur
mit einer relativ geringen Summe, wie alle andern... außer Raymonde. An sie ist
der größte Teil des Vermögens von Miss Sutton gefallen. Raymonde hat immer viel
Geld gebraucht... Na ja, ihre Romane haben sich gut verkauft, eine Zeitlang...
Aber später...“
    „Seit drei Jahren hat sie nichts mehr
veröffentlicht“, sagte ich. „Jedenfalls sind ihre beiden letzten Werke so alt.“
    „Doch, sie hat eine oder zwei Sachen publiziert.
Aber ihr Verleger hat dabei Verlust gemacht... Aus den alten Zeitungen habe ich
außerdem noch erfahren, daß nach einem Prozeß ein zweiter stattfand, der sich
ebenfalls um das verdammte Testament drehte. Und um mehr darüber zu erfahren,
bin ich hergekommen. Dumm von mir, nicht wahr?“ Er lachte gekünstelt. In diesem
seltsam

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