Blumen fuer Polt
Alter? Respekt. Aber
vielleicht hat's etwas Zeit damit. Es geht um den Willi.“
„Um den Willi, sagen Sie? Ein Unglück ist das, nicht
wahr? Kommen Sie ins Haus, Inspektor.“ Frau Raab ließ das Fahrrad im Vorgarten
stehen und ging voraus. In der Stube wischte sie mit ihrer altersfleckigen Hand
imaginären Staub von einem Sessel. „Bitte! Sie sind doch der Herr Polt, nicht
wahr?“
„Bin ich, Frau Raab.“
„Ich habe Ihre Eltern noch gekannt. Der Vater war Weinbauer
in Brunndorf. Warum haben Sie den Hof eigentlich nicht übernommen?“
Polt schaute die alte Frau offen an. Sie hatte ein
rundes, runzeliges Bratapfelgesicht mit wachen Augen. „Schon mein Vater konnte
den Hof nur als Nebenerwerb halten, und ich wollte eigentlich nie Bauer werden.
Lehrer, das war mein Traum gewesen. Aber wer hätte die Ausbildung bezahlen
sollen? Da habe ich es eben in der Gendarmerie versucht.“
„So war das also. Und was haben Sie da drin?“ Sie
zeigte auf den Plastiksack.
„Sachen vom Willi. Sind vom Gericht gekommen. Die
Beerdigung kann jetzt übrigens auch stattfinden.“
„Dann hat er ja bald seinen Frieden.“ Frau Raab betrachtete
die zerrissenen und beschmutzten Kleidungsstücke. „Alles zum Wegwerfen.“
„Sagen Sie, Frau Raab, wie sind Sie eigentlich zu
Ihrem Pflegling gekommen?“
„Der Willi ist ein Findelkind. Ist als Säugling
eines Tages vor meiner Tür gelegen. Sterben hab ich ihn nicht lassen können,
und haben wollte ihn auch niemand. Mir ist er übrigens gleich komisch
vorgekommen, und dann hat mir der Doktor gesagt, was mit ihm los ist. Na ja,
irgendwie habe ich mich an ihn gewöhnt, und gebraucht hat er ja kaum etwas.
Natürlich haben sie im Ort über mich geredet. Wie kann man nur so blöd sein und
sich so etwas antun?“
„Nur gut, daß es Leute wie Sie gibt, Frau Raab.“
„Ach was. Aber wer hier in Burgheim den armen Kerl
in die Welt gesetzt hat, hätte ich schon immer gern gewußt. Na ja, die liegen
wohl schon auf dem Friedhof draußen. Irgendeine leichtsinnige, besoffene
Geschichte wird es gewesen sein, wie das halt so ist auf dem Land. Und für die
Folgen geniert man sich dann.“
Polt schaute zum Fernseher hinüber. Eine gehäkelte
Decke lag darauf. „Hat so etwas den Willi interessiert?“
„Wie? Was?“ Sie folgte seinem Blick. „Ach, Fernsehen
meinen Sie. Nein, das war ihm zu kompliziert. Und Langeweile hat er nie
gehabt. Er ist einfach stundenlang irgendwo gesessen und hat vor sich hin
geschaut.“
„Weiß ich.“ Simon Polt stand auf. „Danke, daß Sie
für mich mit dem Einkaufen gewartet haben.“
„Warum danke? Ohne Mann und in meinem Alter ist man
froh, wenn jemand dafür sorgt, daß die Zeit vergeht.“
„Dann darf ich also wiederkommen?“ Frau Raab
lächelte kokett. „So ein fescher junger Gendarm!“
„Danke.“ Polt gab ihr einen lautstarken Kuß auf die
runzelige Wange, ging und ließ eine alte Frau zurück, die verwirrt den Kopf
schüttelte.
In der Dienststelle traf er Inspektor Holzer an, der
von einem Schriftstück aufblickte. „Hallo, Simon. Ich habe hier den Bericht
über den Opel Olympia von Horst Breitwieser. Recht unterhaltsam, muß ich
sagen.“
„In welcher Weise?“
„Na ja, die Unfallschäden bringen nichts Neues. Aber
technisch ist das Auto bemerkenswert. Eigentlich funktioniert nur noch die
Hupe einwandfrei.“
„Aber der Herr Breitwieser war doch mit dem Opel
recht häufig unterwegs?“
„Das ist ja das Erstaunliche. Der Motor ist auf drei
statt auf vier Zylindern mehr gestolpert als gelaufen, gebremst hat nur noch
das blanke Metall, und die Lenkung war fürchterlich ausgeschlagen. Zusammen mit
dieser unglückseligen Öldruckfederung muß es ein Kunststück gewesen sein, das
Auto überhaupt auf der Straße zu halten.“
„Wundert mich, daß sich der Breitwieser nicht darauf
ausgeredet hat.“
„War vielleicht gegen seinen Ehrenkodex. Alte Herren
sind da oft ziemlich eigen.“
„Ich werde mit ihm darüber reden. Sonst noch was
los?“
„Nicht viel. Eine Anzeige von Frau Habesam gibt es.
Ihr Fahrrad ist verschwunden.“
„Da schau ich aber. Passiert ihr ziemlich häufig in
letzter Zeit.“
„Exakt sechsmal in knapp zwei Monaten.“ Holzer grinste.
„Aber wir werden den Drahtesel bald wieder haben.“
„Ganz meine Meinung. Ich bin nur gespannt, wo er
diesmal liegt, oder hängt. Die ersten Fundorte waren eine Baumkrone und ein
Preßhausdach, nicht wahr? Dann haben wir das Rad auf dem Friedhof entdeckt,
und zwar in
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