Blumen fuer Polt
sterben
lassen, was nicht zum Leben taugt. Bitte kommen Sie weiter.“ Horst Breitwieser
ging auf eine kleine Tür zu, die in die Küche führte. Seine Frau stand an einem
großen gemauerten Herd, schaute kurz auf und nickte grüßend. Der Gendarm
glaubte zu erkennen, daß sie geweint hatte. Als Polt nähertrat, bemerkte er,
daß auf der Eisenplatte ein kleiner Petroleumkocher stand. Breitwieser
lächelte, als er Polts erstauntes Gesicht sah. „Das Gerät genügt für uns beide.
Funktioniert seit Jahrzehnten, und Petroleum ist billig. Noch in der Zeit
zwischen den Kriegen wurde hier für Hunderte von Leuten gekocht. Heute können
wir Sie nicht einmal zum Mittagstisch einladen. Es würde nicht reichen. Doch
gehen wir ins Arbeitszimmer.“
Eine abgetretene Holztreppe mit schön gedrechseltem
Geländer führte in den ersten Stock. Dort gab es eine hohe zweiflügelige Tür.
Auf der Mauer waren Reste einer gemalten Umrahmung zu sehen und ein Wappen.
„Erkennen Sie es, Inspektor? Nein? Das Wappen der Kuenringer. Die hatten auch
hier Besitzungen. 1747 haben sie auf Schloß Seefeld den Letzten ihres Stammes
begraben. Soll ein Mordsspektakel gewesen sein, damals. Jedenfalls hatte der
Herr etwas mit mir gemeinsam: Er war hoch verschuldet.“ Breitwieser öffnete
die Tür. Polt schaute sich erstaunt um, weil er einen solchen Raum hier nicht
vermutet hätte. Zuerst fiel der Blick auf einen wuchtigen Schreibtisch und ein
Gemälde darüber, das die monumentale Gestalt eines Sämanns zeigte. „Schönes
Bild“, bemerkte Polt höflich.
„Ein Lanzinger. Großartiger Maler. Verkannt, ja verleugnet
heutzutage, und in den Schmutz gezogen.“
Zur rechten Hand umrahmte eine Bücherwand einen
offenen Kamin, vor dem zwei lederbezogene Ohrenstühle standen. Gegenüber gab es
noch eine Sitzgruppe. Breitwieser deutete auf einen der niedrigen Stühle.
„Nehmen Sie bitte den. Der ist noch am stabilsten. Sie werden sich fragen, was
dieser noble Arbeitsraum hier soll. Hier hat der Verwalter residiert, die
rechte Hand des Gutsherrn. Die Leute vom Hof waren ärmer dran als die Bauern im
Dorf, aber ihr Herr konnte sich einigen Luxus leisten.“
Breitwieser schmunzelte. „Und wenn er einmal Lust
auf eine der Mägde hatte, war's wohl auch kein Problem.“
Polt kannte einige alte Gutshöfe in der Gegend, doch
waren ihm diese elegischen Reste feudaler Strukturen immer fremd gewesen.
„Wann war die große Zeit der Grundherrschaft eigentlich vorbei?“ fragte er
interessiert. „Mit der Bauernbefreiung?“
„1848 meinen Sie? Nicht einmal so sehr. Die Bauern
mußten für ihre neue Freiheit ja bezahlen, und nicht wenige gingen daran
zugrunde. Die Gutsherren hatten hingegen frisches Geld und konnten ihre Höfe
modernisieren. Außerdem war Arbeitskraft so billig wie nie. Verarmte Bauern,
arbeitslose Landarbeiter, umherziehendes Gesindel. Der Verwalter war da nicht
zimperlich, er sorgte mit eiserner Hand dafür, daß fleißig gearbeitet wurde.
Sogar nach dem Ersten Weltkrieg standen die Gutshöfe noch ganz passabel da.“
Breitwieser stand auf und holte ein schmales Bändchen aus dem Regal. „Hier,
sehen Sie. 1927 waren reichsdeutsche Landwirte im Weinviertel. Das ist die Dokumentation
ihrer Studienreise. Auch der Runhof wird darin erwähnt. 347 Stück Großvieh
standen im Stall, und die Ausstattung mit Maschinen war recht gut. Nur mit den
Arbeitskräften gab es damals schon Probleme. Das Grenzland war ausgeblutet und
fast menschenleer. Man mußte sich mit tschechischen Akkordarbeitern helfen. -
Aber Sie sind bestimmt nicht zu mir gekommen, Inspektor, um über alte Zeiten zu
reden, habe ich recht?“
Polt nickte. „Es geht natürlich um diesen Unfall.
Ihre Frau wird Ihnen ja davon erzählt haben, daß Herr Riebl kein gewöhnliches
Unfallopfer war.“
„Ja. Danke, daß Sie sich so um den Fall kümmern.
Aber es ändert wohl nicht viel, wie?“
„Nein. Es sei denn, wir finden einen Zeugen, der
irgend etwas in dieser Richtung bemerkt hat. Aber noch was kommt dazu: Ihr Auto
war ja kaum noch lenkbar.“
„Sie meinen, ich könnte mich darauf hinausreden? Das
ist nicht meine Art. Außerdem bin ich langsam gefahren und hatte das Fahrzeug
durchaus in meiner Gewalt.“
Polt lehnte sich vorsichtig in seinem knarrenden
Stuhl zurück. „Nur weil es mich persönlich interessiert: Sie und Ihre Frau
kommen doch aus Wien, nicht wahr?“
„Ja. Ich hatte maturiert und wollte Medizin
studieren. Da kam der Krieg dazwischen und hat alles zerstört. Heimat,
Weitere Kostenlose Bücher