Blumen fuer Polt
einem frisch ausgehobenen Grab. Wirklich originell.“
Holzer nickte. „Später ist es dann im Wiesbach
gelegen, und erst vor kurzem haben wir es aus der Burgheimer Kläranlage
gefischt. Ziemlich anrüchige Sache.“
„Na ja, die liebe Frau Habesam hat ja nicht nur
Freunde.
Wenn da ein paar im Weinkeller zusammenhocken, kann
schon was dabei herauskommen.“
„Und wir haben die Arbeit.“
„Du sagst es.“ Polt schlug mit der flachen Hand auf
einen dicken Stapel Papier. „Gehört alles mir. Zum Teufel damit.“
Nach Dienstschluß zog es Polt in die Burgheimer
Kellergasse, weil er sich bewegen wollte nach all der Schreibtischarbeit. Als
er Karl Gapmayrs Preßhaustür offenstehen sah, warf er einen neugierigen Blick
hinein. Der Weinbauer hörte ihn kommen und drehte sich um. „Grüß Gott, Herr
Inspektor. Kommen Sie nur herein. Jedesmal wenn ich hier bin, frage ich mich,
ob ich das Preßhaus und den Keller nicht besser verkaufen sollte. So etwas ist
von gestern. In einer klimatisierten Halle hätte ich die Sache besser im
Griff.“
„War aber
schade um alles.“
„Na ja, vielleicht bleibe ich auch dabei. Lagerraum
kann man ja immer brauchen. Trinken wir schnell einmal?“
„Gern. Ich war noch nie in Ihrem Keller, der würde
mich schon interessieren.“
„Dann kommen Sie. Er ist glatt betoniert. Sie können
nicht stolpern.“
Als sie unten angelangt waren, schaute sich Polt
staunend um. Der Höllenbauer-Keller war beachtlich groß, aber dieser hier
übertraf ihn bei weitem. Außerdem war auf den ersten Blick kein System in der
Anlage zu erkennen. Wie die Gassen einer Altstadt trafen die Kellerröhren in
schrägen Winkeln aufeinander und schufen kleine Plätze.
„Weiß oder rot?“ fragte der Gapmayr. „Ich tu mir das
Theater nicht an. Bei mir macht's die Menge. Lesemaschine, hydraulische
Presse, große Tanks.“ Er goß zwei Gläser voll, trank, noch bevor Polt gekostet
hatte, und stellte das halbleere Glas beiseite. „Ein sauberer, neutraler Grüner.
Soll ihn der Händler richten, wie er mag. Und Sie, Inspektor? War ein Pech, das
mit dem Willi, nicht wahr? Mein Freund war er nie. Aber getan hat er mir auch
nichts. Na ja. Erledigt.“
Polt trank einen Schluck und mußte sich widerwillig
eingestehen, daß am Wein nichts auszusetzen war. „Ihnen gehört doch die Riede todter Hengst?“ fragte er beiläufig. „Woher kommt der Name eigentlich?“
„Vom gefährlich steilen Güterweg, der dorthin führt.
Da hat es früher oft genug ein Pferdegespann erwischt, und wenn der Bauer unter
den Wagen gekommen ist, dann gute Nacht.“
„Und die Wiese davor?“
„Gehört zu meinem Grund. Ich will mit dem Traktor
nicht so nah an den Lößabsturz heran, darum liegt das Stück Land eben brach.“
„Der Willi war öfter dort, nicht wahr?“
„Ja. Fast jeden Tag. Noch etwas?“
„Nein. Eigentlich nicht. Oder doch. Haben Sie eine
Ahnung, wie das passiert sein könnte, der Todessturz, meine ich?“
„Keine Ahnung. Ich weiß ja nicht, was in so einem
Kopf vorgeht, wenig genug, vermutlich. Aber jetzt kommen Sie einmal mit,
Inspektor.“
Gapmayr führte Polt kreuz und quer durch den matt
erleuchteten Keller, und nach einiger Zeit hatte der Gendarm die Orientierung
verloren. Schließlich kamen die beiden zu einer verschlossenen Tür. Gapmayr
öffnete sie, und Tageslicht drang herein. Inspektor Polt kam sich vor wie ein
Kind, das durch einen Märchenbrunnen in eine andere Welt gefallen war. Er sah
hohes Gras, altes Mauerwerk, morsche Kellertüren und eingesunkene Dächer unter
wuchernden Akazienstauden. „Wo sind wir hier?“
Gapmayr lachte kurz. „In einer aufgelassenen Kellergasse
zwischen Burgheim und Brunndorf. Aber jetzt müssen wir zurück. Ich habe wenig
Zeit, leider.“
Im
Grenzland
Als Simon Polt am nächsten Morgen gegen sechs aufwachte,
schaute ein wolkenbedeckter Himmel durchs offene Fenster. Der Gendarm schaute
griesgrämig zurück, murmelte: „Es ist eine Lust zu leben“ und stand widerwillig
auf. Das Außenthermometer zeigte 12 Grad, feiner Nieselregen ließ die Blätter
der Büsche im Hof glänzen.
Polt schloff in einen schäbigen Bademantel,
schlurfte in die Küche und füllte Czernohorskys Futternapf. Der Gendarm
wunderte sich darüber, daß der Kater nicht schon längst neben ihm stand und
Laute ausstieß, die jeden Tierschützer davon überzeugen mußten, daß hier der
qualvolle Hungertod eines zum Skelett abgemagerten Katers nur noch eine Frage
von Minuten war.
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