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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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ihm werde aus Gold sein, sein Herz, seine Seele, sogar seine Ohrläppchen. Er war der langsamste Zigeuner in der Gegend gewesen, und er verstand es, mit dieser Fähigkeit gut hauszuhalten. In der Langsamkeit lag seine Stärke, die Langsamkeit war seine Art der Grausamkeit. Wenn er lange genug eine dieser Apparaturen anschaute, wie sie in den Häusern der Juden, Deutschen und Ungarn tickte, blieben die im Kreis laufenden Zeiger stehen. Der Goldzahnige hatte das Wachstum, das Reifen des Obstes, das Wachsen des Grases verlangsamt. Doch nun ruht er, sagte der Alte und blickte dem Woiwoden in die Augen, und wenn er ruht, dann lasst ihn ruhen.
    Gilagóg eilte ins Lager zurück, er hatte Gelärme vernommen. Soviel er von dem verzweifelten Geschrei verstand, mussten Gadschos aufgetaucht sein. Ach, hätte er sich doch nur geirrt! Österreichische Soldaten stöberten bei ihnen herum, sie waren in weißen Uniformen und blitzenden Stiefeln gekommen,gleichgültig stellten sie ihre Fragen. Wenn sie die bewusstlose Frau finden, so würde der Stamm in den Kasematten verrotten, in der gewaltigen Burg, die sich neben der Theiß erhob und die sie bestaunten, wenn sie durch die Stadt zogen, sicher gab es dort unterirdische Verliese! Wie sollten sie erklären, dass eine ungarische Frau in ihrem Wagen lag?! Sie wussten nicht einmal, wie sie hieß! Doch die Soldaten rissen sich kein Bein aus, sie stocherten nur gelangweilt in die Wagen hinein und interessierten sich auch nicht für den frischen Erdhaufen am Fuße der Kastanie. Dabei hätten sie, wären sie aufmerksamer gewesen, auf einigen Erdklumpen Menschenblut entdecken können. Dann standen sie natürlich lange um den aufgebahrten Masa herum und stießen, als sie genug von dem Gejammer hatten, die Frau zur Seite, die seine Verdienste pries. Einer deutete mit seinem Bajonett auf den Woiwoden. Er ließ das demütige Lächeln sehen, das er für Amtspersonen und Soldaten bereithielt, er bedeutete ihm mit Händen und Füßen, dass der Unglückliche etwas Schlechtes gegessen, sich vergiftet habe. Der großgewachsene Soldat schüttelte den Kopf, spießte mit dem Bajonett ein Stück Pferdescheiße auf und hielt es dem Woiwoden vors Gesicht.
    Das hat dieser Dummkopf gegessen, hä?!
    Das Lächeln schmolz vom Gesicht des Woiwoden, er antwortete nicht. Der Gefährte des Soldaten lachte laut auf, komm, Helmut, so komm schon! Ein halbnackter Junge schlug Pfosten in den Lehm, er baute ein Zelt auf, wie sie es schon immer gemacht hatten, doch die Soldaten traten die Pfähle heraus und stießen den Jungen zu Boden. Gilagóg wartete ab, bis der letzte hinter der Biegung verschwunden war, dann ging er zu dem Kind.
    Du kannst aufhören, er klopfte ihm auf den Rücken.
    Es schniefte verständnislos.
    Wir werden Häuser bauen, sagte Gilagóg.
    Niemals hatten sie zwischen Steinmauern oder Lehmziegeln gewohnt. In Bosnien hatten sie häufig in verlassenen, ausgebrannten Scheunen Zuflucht gesucht, durch den löchrigen Dachboden blinzelten die Sterne sie an, der Wind blies zischelndüber sie hinweg, doch über die Schwellen richtiger Häuser sprangen sie höchstens, um drinnen dies und jenes, Brauchbares und Notwendiges aufzulesen. Andere nannten das Stehlen. Obwohl sie doch nur leben wollten, wie jedes andere Volk auf der Welt auch. Sie spähten in offen gelassene Fenster und spürten sogleich, welche Schätze das im Halbdunkel sich abzeichnende, mit Möbeln vollgestopfte Zimmer oder der lange, süße Düfte verströmende Korridor barg. Sie hatten von Zigeunerkönigen gehört, die in Palästen wohnten und sich von den Dienern die Zehen ablecken ließen. Selbst hatten sie nie so einen Zigeunerkönig gesehen. Das Geld hatte in ihren Händen keinen Bestand, es hatte gar keinen Sinn, es zu sammeln, die ganze Welt gehöre ihnen, versicherten sie ihren Sprösslingen, wenn sie sie in den Schlaf wiegten. Sie bettelten, ließen Bären tanzen, trugen Nachrichten von einer Garnison zur nächsten und bekamen dafür etwas von den Überresten.
    Gilagóg wickelte Habred aus seinen Lumpen. Hinter ihm bildete sich eine Gruppe, die neugierig wartete, was der Wahrhaftige zu ihrem neuen Zuhause sagen würde. Der blinzelte feindselig, er konnte gar nichts sagen, weil man ihm das Tuch nicht vom Mund genommen hatte.
    Gebt mir Geld!, höhnte ein Kind, ein sausender Schlag des Woiwoden traf ihn, mit einem Schmerzensschrei kollerte er zur Seite. Gilagóg beugte sich über Habred, er rümpfte die Nase und gab den Frauen ein Zeichen, den

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