Blumenfresser
und band sie an den Wagen fest. Auf Habred den Wahrhaftigen warf er ein paar Lumpen und trat Glutstücke ins Lagerfeuer zurück. Es loderte hoch auf und versprühte seine Funken. Er lauschte und winkte den Hund zu sich. Das Tier winselte leise, es spürte die Gefahr. Von einem nahen Baum rief ein Todesvogel herab, der Woiwode meinte die Augen des Kauzes leuchten zu sehen, der Tod blitzte ihn an, über sich hörte er die schauerlichen Flügelschläge. Nicht weit entfernt kreischte ein Kleintier auf, offenbar ein vom Unheil ereilter Nager. Der Todesvogel fliegt nie ohne Grund über den Zelten der Zigeuner! Jemand konnte sich auf die Reise ins Jenseits gefasst machen. Gilagóg musste unwillkürlich lächeln, sie hatten gar keinen Quark, woher auch! Und was wäre das für ein Leichenschmaus, ohne Quark?! Er spürte, dass er Angst hatte. Sein Lächeln verlosch trotzdem nicht.
Masa, Masa, so komm doch!, drängte er seinen Mann und dachte, dass sie vielleicht zu zweit mit ihm fertig würden. Vielleicht. Denn im Grunde war er auf ihre Niederlage gefasst. Nur am Leben sollten sie bleiben, dann war nicht alles verloren.
Der Goldzahnige kam langsamer als am Vortag, er schien gar nicht durch die wahrnehmbare Welt zu schreiten und glich einer Vision. Als Gilagóg sich entschloss, nach dem Messer zu greifen, war es auch schon um ihn geschehen. Er verstand nicht, wie man sich so bewegen, sich so langsam nähern konnte, als würden die Bewegungen des anderen das Fleisch der Zeit verschlingen. Denn vorhin war sein dunkler Schatten noch einen Steinwurf entfernt gewesen, es schien Stunden zu dauern, bis er herangekommen war! Noch nie war Gilagóg ein Augenblick so lang erschienen. Doch da hatte sich der Goldzahnige bereits bis auf Armlänge genähert, sein Gesicht war genau zu erkennen, sein böses Grinsen, Gilagóg konnte ihn riechen, und er hörte, wie er zu ihm sprach, sprach, und sprach. Auch die Worte schienen aus schlechtem, blutigem Gold zu sein.
Hast du Salz und Pfeffer, Zigeuner? Es ist gut, wenn du welches hast, denn dann werde ich dein Herz lieber salzen, pfeffern und braten, Zigeuner. Hast du ein Leben, Zigeuner? Das gibst du mir! Hast du einen Tod, Zigeuner? Dann gib ihn mir!
Gilagóg hörte ein blaffendes Geräusch, im nächsten Moment stach ihm der Schmerz in die Brust. Unfähig zu irgendeiner Bewegung, verstand er, dass es aus war mit ihm. Der Kiefer des Goldzahnigen senkte sich in seinen Brustkorb, die Zähne rissen an der Herzgrube, es waren langsame und tiefe Bisse. Jemand schrie verzweifelt auf, in wahnsinnigem Entsetzen schlug ein junger Bursche Töpfe gegen den Baum. Diese Bestie beißt mirtatsächlich das Herz heraus, dachte Gilagóg und wunderte sich über seine Ohnmacht. Alle Kraft hatte ihn verlassen, als wäre er aus Papier. Er versuchte, um sich zu blicken, noch einmal in ein bekanntes Gesicht zu sehen, nur um von der Welt Abschied zu nehmen, wie es sich gehörte. Doch da blitzte der Himmel über der Schulter des Goldzahnigen auf, und er erblickte Masas verzerrtes, blutiges Gesicht. Masa, teurer Masa! Doch dessen Gesicht sah aus wie zerschmettert. Der Biss des Goldzahnigen löste sich, Gilagóg fiel auf die Knie. Etwas Warmes floss auf seine Brust, er breitete seine Arme aus, als wollte er fliegen. Erbost wandte sich der Goldzahnige um, ein Messer blinkte in seiner Hand, und da sah der Woiwode auch schon, dass es flog. Doch in dem Moment, als das tödliche Werkzeug seinen Weg begann, ertönte ein lautes Pochen. Ein Laut wie wenn eine Nuss in ein leeres Holzfass fällt. Der Goldzahnige röhrte auf wie ein verletztes Tier, er ließ die Arme sinken, seine Schultern zitterten, in seinen Augen tanzte tödliches, goldfarbenes Licht. Lange stand er so da, erbost und erstaunt, verächtlich und demütig. Als er schließlich vornüberstürzte, schlug er mit dem Gesicht auf der Erde auf. Der Woiwode schleppte sich zu Masa, der mit träumerischem Blick neben dem Wagen taumelte, in dem Somnakaj verborgen war. Aus seinem Herzen ragte das Messer mit dem Horngriff.
Masa, Masa, keuchte der Woiwode und umklammerte das Gesicht des anderen.
Was ist dir passiert, wo warst du, Masa?!
Der deutete auf einen Grashaufen, der neben dem Wagenrad lag. Sein geschundenes Gesicht verzerrte sich zu einem seligen Lächeln. Er sagte mit seinem fast zerrissenen, geschundenen, blutverschmierten Mund:
Ich!
Ich, ich, ich!, stieß er abermals hervor und fiel die Augen schließend zu Boden.
Fackeln und Feuer wurden entzündet, alle waren
Weitere Kostenlose Bücher