Blumenfresser
nur einen Groschen vor ihnen aufblitzen lassen, tun sie sich noch in der Nacht zusammen und berauben ihn, vielleicht schneiden sie ihm sogar die Kehle durch! Von diesem Geld darf niemand etwas wissen! Nicht einmal die kleine Somnakaj! Gilagóg fiel ein, dass er auch Masa nicht davon erzählt hätte. Somit entschloss er sich, es sogleich zu vergraben, und das tat er auch. Er vergrub es hinter dem Wagen, dabei hörte er, wie Habred auf dem Unterbett unruhig zappelte.
Den hiesigen Zigeuner gab er von dem, was ihnen ohnehin gehörte. Er gab ihnen ihr verfluchtes Gold zurück. Diese Zigeuner waren ein fröhliches Völkchen, die Frauen trugen bunte Fetzen, und sie tanzten und sangen selbst dann, wenn sie Kummer hatten. Und sie tanzten auch, wenn sie glücklich waren. Sie spielten Geige, ohne das Saitenspiel erlernt zu haben, doch wenn sie die Mondmusik hörten, die auch ihre eigene war, spielten sie die Melodie einfach nach. Die Zigeuner benutzten die Zeit nicht, die Zeit benutzte sie, zerknetete und zerfurchte ihre Gesichter und ließ ihre in jungen Jahren so schönen und geschmeidigen Frauen schnell verdorren. Sie gebaren früh und begruben früh.
Die Arbeit der Zigeuner dieser Gegend wurde vor gut hundert Jahren in Gesetze gefasst. Diese Gesetze waren den Zigeunern ganz und gar nicht gewogen, und die Zigeuner mochtendiese Gesetze nicht. Jedenfalls durften sie Pflugeisen schleifen, Gefäße drahten, ihre Schmiede durften alte Metalle neu bearbeiten, Scharten aushämmern, doch neues Eisen durften sie nicht gießen, das war das Privileg der städtischen Zünfte. Zwar durften sie Blechplatten, Schlösser und Eisenbeschläge anfertigen, doch sie betrieben ihr Handwerk lieber im Geheimen, so sehr waren die Sporenschmiede und Schlossermeister in Szeged über sie erbost. Mit Schlössern hausierende, im Gewühl des Marktes ihre Dienste anbietende Zigeuner wurden regelmäßig von kräftigen Lehrlingen davongejagt. Wiesel und Igel brieten sie schon seltener, sie hielten Vieh, ein paar Ziegen und Schweine, Hühner scharrten rund um die Hütten, und wer Talent zum Musizieren zeigte, durfte mitunter dreimal täglich essen. All das erfuhr Gilagóg, weil man es ihm, begleitet von flachen und argwöhnischen Blicken, mit schwerfälliger Zunge und fremd klingenden, dennoch verständlichen Worten sagte. Sie trauten ihm nicht, doch wem hätten sie schon getraut?! Gilagógs Stamm hatte es aus den Wäldern und feindseligen Bergen des Balkans zu ihnen verschlagen, und nun erklärte er ihnen, dass sie von heute an gemeinsam leben würden. Ihre Nachfahren würden sich nach einigen Menschenaltern nicht mehr erinnern, welche Sippe hier zuerst gehaust hatte und welche der Eindringling gewesen war. Doch das war Zukunft, und es war gar nicht sicher, dass es so kommen würde! Der Zigeuner weiß, dass die Vergangenheit ungewiss ist und die Zukunft ihm jederzeit genommen werden kann. Die einheimischen Zigeuner maßen Gilagóg feindselig, der im Tausch gegen die Goldzähne nur Ruhe und friedliche Nachbarschaft erwartete. Er bat nicht darum, sofort in ihren Kreis aufgenommen zu werden. Er bat nur, den Unfrieden zu beenden!
Wo ist sein Besitzer?, fragte ein Mann mit Zopf, den Goldzahn anstarrend, während seine Pfeife blaue Wolken ausstieß.
Sein Besitzer ruht sich aus, sagte Gilagóg und ließ den Zahn in die sich langsam öffnende, runzelige Hand des Alten fallen.
Die Ruhe bekommt ihm so gut, dass er nichts anderes mehrwill, nur noch ausruhen?!, brummelte der Alte, sein schlauer Blick glitzerte durch die blauen Schwaden. Gilagóg zuckte die Achseln, wer mag schon wissen, warum jemand des Guten oder des Schönen überdrüssig wird?! Der Zigeuner gibt leicht, weil er schwer erwirbt. Der Goldzahnige ruht, weil er sich dazu entschlossen hat. Wenn er nicht mehr ruhen will, sucht er sich eine andere Beschäftigung.
Auf diese rätselhafte Antwort hin nickte der Alte und verbarg das Gold in seinem zerlumpten Mantel.
Schnörkeliges Geigenspiel mischte sich in das Gehämmer, der Woiwode verzog den Mund, solche Musik mochte er nicht. Rasseln, Trommeln und Gitarrenklänge gefielen ihm, Geigentöne konnte er dagegen nicht ausstehen. Schließlich erzählte ihm der Alte, der mitteilsamste der hiesigen Zigeuner, wer der Goldzahnige gewesen war.
Es war der Bettlerkönig, vielleicht war er einer der Ihrigen, vielleicht der monströse Gesandte einer anderen Geschichte, jedenfalls hatte er ständig damit geprahlt, er werde seinen Körper in Gold verwandeln. Alles an
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