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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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stinkenden Wahrhaftigen zu waschen, der sich wohl vor Schreck eingeschissen hatte.
    Gilagóg befahl sämtliche Jungen des Stammes zu sich, unterzog sie einer Prüfung und wählte die vier geschicktesten aus. Verschlagener Blick, frische Wunden an den Gliedmaßen, frecher Gesichtsausdruck, zur Faust geballte Hände – hauptsächlich waren es solche Merkmale, die seine Entscheidung bestimmten. Er nahm sie sich der Reihe nach vor und erklärte ihnen, jedem eins hinter die Ohren gebend, was ihre Aufgabe war. Die Bengel sollten in der Stadt die Augen aufsperren. Die Stadt war eine feindliche und fremde Welt, sie konnte einem kleinen Zigeunerleicht zum Verhängnis werden, sie mussten auf der Hut sein. In der Stadt ragten verschiedene Gebäude in die Höhe, das hatten sie gestern sehen können, als sie dazwischen hindurch zogen. Die Kinder sollten sich die Häuser genau ansehen und sich einprägen, wie sie geformt waren, wo die Fenster hinausgingen, wie die Steine aufeinandergeschichtet waren, und wenn es ihnen möglich war, sollten sie auskundschaften, was alles in den Höfen oder in den Zimmern aufbewahrt wurde.
    Du, Bengel, erkundest, wie die Ungarn ihre Häuser erbauen!
    Und du sieh dir an, wie die Deutschen wohnen!
    Du spionierst die Häuser der Serben aus, struppiger kleiner Zigeuner!
    Und du Bürschchen, beobachtest, wie die Juden wohnen!
    Die Jungen liefen davon, es staubte unter ihren Sohlen. Abermals betrachtete Gilagóg die Fremde, die noch immer schlief, doch sie wirkte unruhiger als am Morgen, sie atmete seufzend, wollte etwas sagen, hob die Hand. Ein Grashalm klebte an ihrem Mund, ein sich windender, grüner Zwirnsfaden. Auch Somnakaj erwachte allmählich, blinzelte schläfrig, sie stützte sich auf die Ellbogen und betrachtete die Fremde schwärmerisch, berührte ihr Haar, ihren Hals, befühlte ihr Kleid. Der Woiwode musste lächeln. Er gab ihr zu essen, brachte ihr Milch und Brot.
    Die Jungen kamen am frühen Nachmittag zurück, sie wussten genau, wie lange sie fortbleiben durften; wenn die Glocke erdröhnte, mussten sie ins Lager zurücklaufen. Als erster traf der Knirps ein, der die Juden ausspioniert hatte, keuchend erzählte er, dass am Haus des Juden ein schauerlicher Hundekopf die Zähne fletsche.
    Ein Löwe, erklärte Gilagóg, er hatte im Hof eines Juden aus Sarajevo eine solche geschnitzte Bestie gesehen.
    Hat dich der Löwe gebissen?, fragte er.
    Hat er nicht, aber ein langhaariger Mann hat mich gesehen und mit einem Honiglächeln zu sich gelockt. Dieser Mann hat Knöpfe in seiner Hand geschüttelt! Das Kind erzählte nicht nur, sondern spielte die Szene auch vor.
    Die anderen lachten, wie der Jude ihn zu sich winkte.
    Als ich fast bei ihm war, packte er mich am Arm, da ist noch der rote Abdruck seiner Finger, zeigte er mit einer Grimasse. Er hat gesagt, wenn ich etwas Böses im Schilde führe, wird das wilde Tier von der Wand herunterspringen und mich in den Hintern beißen.
    Die Zigeuner johlten auf, sonst noch was, ein wildes Tier, das von der Wand springt! Brummend hörte der Woiwode den Bericht an, und als die Leute sich beruhigt hatten, beugte er sich über den Jungen.
    Hör mal, hat der Löwe das Maul aufgerissen?
    Nein, Woiwode, er hat es nicht aufgerissen, schüttelte der Junge den Kopf.
    Weißt du denn, warum nicht?
    Der Junge schüttelte noch immer den Kopf.
    Der Löwe der Juden hat keine Zähne. Eine hilflose Katze ist das, nur dass du es weißt, Junge.
    Das Kind nickte hüstelnd, nie würde es das vergessen, und den Woiwoden beschlich das Gefühl, dass es nicht alles gesagt hatte. Warum würde es sonst ständig seinem Blick ausweichen?
    Etwas anderes hast du in den Häusern der Juden nicht gesehen?!, fragte er also freundlich.
    Auf einem Judenhaus ist ein Stern, und der hat so viele Zacken, er zeigte mit seinen Fingern sechs.
    Der Woiwode bestätigte, so ist es, auf dem Haus der Juden befindet sich ein Stern, doch er war mit diesem Bekenntnis nicht zufrieden.
    Meiner Meinung nach hat dir der Jude etwas gegeben, knurrte er.
    Das Kind versuchte zu protestieren und verzog den Mund.
    Er hat mir eine Kleinigkeit gegeben, einen Knopf, er zeigte ihn.
    Und warum hat er ihn dir gegeben?, fragte Gilagóg, nach dem Gulden schielend.
    Damit ihn der bekommt, den ich am meisten liebe!
    Und wen liebst du am meisten?, kratzte sich Gilagóg das Kinn.
    Ich glaube, blitzte es in den Kinderaugen auf, am meisten liebe ich mich selbst, doch im nächsten Moment kullerte er mit blutiger Nase über die Erde,

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