Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
Vom Netzwerk:
spielte, wurde die Mutter von Eifersucht gequält, hinter den neckenden Worten witterte sie Verrat; Fetzenpuppen, Papierfiguren, Scheren, Zwirnsknäuel, Seidenbändchen und Zeichnungen − alles Symbole eines sündhaften Bündnisses! Wenn sie lachten, zuckte sie zusammen und zog sich gekränkt zurück. Ein vorwitziges Lächeln über dem sonntäglichen Mittagessen machte sie gereizt, doch offen begehrte sie niemals auf.
    Klara ging immer pflichtbewusst mit in die Sonntagsmesse und kauerte neben der Mutter im dumpfen Kirchenmief. Wie oft zitterte und fror sie! Pelsőczy hatte sich zu Hause ausgestreckt oder betrachtete im Kaffeehaus das matte Glänzen der Schnapsgläser. Geld hatte er nie, das heißt, auf irgendeine geheimnisvolle, nicht fassliche Weise doch, denn der Tochter ein Spielzeug oder Süßigkeiten zu kaufen oder für sich einen Wein zu erstehen, dafür reichte es immer.
    Einmal war in der Nacht viel Schnee gefallen, vor dem Haus zögerte die Mutter, dann murmelten sie ein Gebet, bis zum Knie im frischen Weiß versinkend.
    Lieber Gott, du bist jede einzelne Schneeflocke!
    Lieber Gott, du bist jeder einzelne Eiszapfen, murmelte Klara und schielte zur Mutter, ob sie es hörte.
    Schmilz nicht, lieber Gott, bleib Eis, bleib Schneeflocke!
    Ereignisse wie Erstkommunion oder Konfirmation, die für andere so bedeutsam waren, kümmerten Klara nicht weiter, ihre Erinnerungen wirbelten durcheinander, die Hostie war säuerlich, und als der Priester ihr den Klaps auf die Wange gab, um an die Leiden Christi zu erinnern, fächelten ihr die feisten Finger den Kerzenduft zu. Sie liebte die ausgedehnten, im vormittäglichen Nebel sich verlierenden Spaziergänge, auf denen sie selbst fast zu Schatten wurden. Da liebte sie ihre Mutter noch am ehesten. Da hatte sie keine Angst vor ihr, da schmiegte sie sich an sie und legte die Wange an ihre magere Brust. An den Sonntagmorgen machte sie sich aufgeregt zurecht, man brauchte sie nicht anzutreiben, sie beeilte sich mit dem Frühstück, kleidete sich hastig an, und wenn sie sich kämmte, dann so ruppig, dass ganze Haarbüschel zwischen den Zähnen des Kamms zurückblieben. Unterwegs waren sie schweigsam, und Klara wusste nie im voraus, auf dem Weg zu welcher Kirche sie waren.
    Zu fragen war überflüssig, meistens hatte auch die Mutter kein bestimmtes Ziel, sie gingen durch die Dreifaltigkeitsstraße, mieden die Furchen der Wagenräder, betrachteten ein mit Brennholz beladenes Fuhrwerk, dann kauften sie einen Kürbis, und das Mädchen machte große Augen, als die Mutter in klirrender Kälte gebratenen Kürbis aß, eine Art Geheimnis schien sich offenbaren zu wollen, und nachdem die Mutter die Schale fortgeworfen hatte, gingen sie wortlos weiter, bis sie auf verschiedenen Umwegen in den Stadtteil Rochus gelangten.
    Wochenlang gingen sie in die Georgkirche, die von den Minoriten verwaltet wurde, das waren genauso Franziskaner wie die Kuttenträger der Unteren Stadt, nur vielleicht ein bisschen fröhlicher. Das hatte ihr natürlich der Vater gesagt, und Klara glaubte es nicht ganz, denn beschwipste und lachende Mönche sah sie auch bei der Kirche der Unteren Stadt, die sie an einem anderen Wochenende besuchten. Häufig fror sie während der Messe, sie konnte gar nicht richtig aufpassen, doch die abenteuerlichen Spaziergänge entschädigten sie für die Unbilden. Sie liebte es, durch die krummen Straßen zu wandern, durch Fenster, Gartenzäune und Gasthaustüren zu spähen. Als sie im Palánkviertel beim Gasthaus Adler vorbeikamen, beschleunigte die Mutter ihre Schritte. Was für wunderschöne Frauen undstattliche Männer in dem reich verzierten Tor standen! Sie erreichten den Kirchplatz, der Zwiebelturm der Demetriuskirche blitzte, als wäre er aus Gold. Und wenn sie zum Dáni-Haus mit dem Löwen abbogen, war das ebenso natürlich, wie wenn sie in Richtung Synagoge gingen, wo Klara Männer vorbeihasten sah, vor denen sie immer ein wenig Angst hatte, vor ihren Hüten, vor ihren langen, schwarzen Mänteln. Ignác Derera, der einmal am Versöhnungstag verschwunden und wieder aufgetaucht war, weil ihn der Teufel nicht wollte, den kannte sie schon. Manchmal war sie es, die führte, mit einem Fingerdruck wies sie der Mutter die Richtung. Auf dem Fischmarkt glitzerten Brassen, Karpfen und meterlange Welse, sie sah Störe, in einem Korb wanden sich schwarze Schlangen, und sie stellte sich vor, diese Ungeheuer würden, während sie im Wasser planschte, unter ihr schwimmen, sie sehen und ihr

Weitere Kostenlose Bücher