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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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dass die Wolke tatsächlich dem Vater ähnlich war. Er erzählte ihr, wo der Fluss den Sarg des Hunnenkönigs Attila barg und wo zur Türkenzeit ein mit Schätzen beladenes Frachtschiff gesunken war. Er zeigte ihr die aufragenden Pappeln am Ufer und das grüne Band der wogenden Weiden, die bei der Furt zischende Strömung und die Fähren, auf denen beladene Fuhrwerke warteten. Seine Stimme hallte zwischen den Sträuchern am Ufer wider, als er verkündete, man wolle die Mündung des Marosch verlegen, den Fluss unterhalb der Stadt in die Theiß einleiten, Herrgott, was für ein Schwachsinn! Serbische Händler ließ er wissen, dass Szeged am tiefsten Punkt des Flusslaufs der Theiß liege, das Wunder bestehe nicht darin, dass die Stadt bis jetzt immer davongekommen, sondern dass sie nicht schon siebenundsiebzig Mal zerstört worden sei. Die Händler hielten sich den Bauch, na, dann werden es unsere Jungs zerstören, riefen sie und schütteten Palinka in sich hinein. Pelsőczy taumelte zu seinem Kind zurück, denn sie näherten sich einem unheilvollen Ort.
    Unterhalb der Stadt Csongrád ragte am Wasser eine mächtige Lößmauer auf, und wenn sie diese Stelle passierten, erzählte der Vater jedes Mal flüsternd, dass eines heißen Sommertags ein Junge von seinen Kameraden an den ausgetrockneten, steinharten Löß genagelt worden sei, so wie Jesus von den Römern, sie hämmerten den Unglücklichen an das Steilufer und warteten, bis er ausgelitten hatte. Die Eintagsfliegen schwärmten gerade! Dieses wundersame Ereignis wirkte wie ein Teil der Bestrafung, die Insekten schwirrten aus dem Mund des wehklagenden Jungen, um dann taumelnd in den Fluss zu fallen. Die Theiß war von einer gelben Haut toter Eintagsfliegen überzogen.
    Was war mit dem Jungen?!, fragte das Mädchen bleich.
    Der Engel ist aus seinen Augen geflogen, er ist für immer eingeschlafen.
    Ist auch er zur Eintagsfliege geworden?
    Der Vater lachte, na klar, wenn der Engel aus einem herausfliegt, wird man sicher zur Eintagsfliege.
    Klara erwachte von Schweiß durchnässt. Diese Geschichte war in ihren Angsträumen ein ständiger Gast. So oft schon hatte sie sich den Jungen im Todeskampf vorgestellt, dass sie ihn jederzeit erkennen würde. Sie sah ein bleiches Gesicht, blitzende Zähne, ein forsches Kinn mit blond gekräuselten Barthaaren, den trotz seiner Lebhaftigkeit bangen Blick. Und sie wunderte sich nicht im Geringsten, als dieses Gesicht nach Jahren ohne besondere Vorgeschichte plötzlich auftauchte, auf dem Heimweg von der Hutmacherin Frei im Gewühl des vom Staub funkelnden Hauptplatzes. Von Kindheit an war sie darauf gefasst, Adam Pallagi zu erkennen, und als dieser Moment gekommen war, durchströmte eine tiefe Ruhe ihr Inneres.
    Sie war gern allein und beobachtete. Der Vater hatte sich entfernt, war mit Reisenden in uferlose Gespräche verwickelt, doch aus den Augenwinkeln gab er auf das träumende Kind an der Reling acht. Mit lautem Platschen brach ein Ungetüm von Fisch an die Oberfläche, als hätte die Tiefe ein Silbertablett ausgespien, Klara brach in Gelächter aus, Wasser spritzte ihr an die Wade. Sie sah kleine Fische wirbeln, wie Pfeile auseinanderschießen, weil sich ein großer, träger Schatten auf sie zubewegte.
    Wundersamerweise liefen sie kein einziges Mal auf eine der verborgenen Sandbänke auf, obwohl ihnen alte Flussschiffer, die sich rühmten, bis auf den Grund sehen zu können, oft gedroht hatten, einmal würde es ihnen übel ergehen! Pelsőczy hatte sie ausgelacht, liebe Freunde, bis zum Grund sehe ich auch, sogar noch weiter. In der Tat schien sich das zu bewahrheiten, plötzlich befahl er dem Steuermann ein schnelles Manöver, und gleich darauf tuckerte der Dampfer friedlich weiter, als sei nichts geschehen.
    Klara bestaunte die kleinen Wirbel, die um einen dunkleren Strudel kreisten wie die Planeten um die Sonne. Äste trieben in der Strömung, auf einem saß wie eine ägyptische Statue ein Raubvogel. Sie sah eine Gruppe Rehe, die sich über das Wasser beugten und scheue Blicke warfen, da liefen sie auch schon, der Vorhang der Weiden schloss sich hinter ihnen. Mit ihren Netzen hantierende Fischer winkten ihnen zu, junge Burschen striegelten Pferde, ihr Lachen höhnte und lockte zugleich. An Sommertagen spritzten die nackt Badenden um sich, Jungengesäße leuchteten ihr entgegen wie zum Backen bereiter Teig. Sie drückte ihren Schoß gegen die Reling und verstand nicht, warum ihr so wohl wurde, dass sie kichern musste. Ihr liebstes

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