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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Bettlerin, die vor der Kirche ihr Kind wiegte, hatten sie Geld gegeben. Als sie die knarrende Tür hinter sich zuzogen, sah Klara erst den bekannten, krummen Rücken, dann die lehmigen Schuhe und wusste, dass es ihr Vater war, der vor dem Altar kniete. Pelsőczy trug die gleichen Schuhe wie die Deutschen. Kerzenflammen erweckten die Heiligenbilder zum Leben, Putten umschwirrten sie, und Jesus lächelte dem Knienden zu. Der blickte sich um, als spüre er, dass er nicht allein war, wandte sich aber, als wolle er sie nicht sehen, gleich wieder ab und faltete die Hände zum Gebet.
    Er hat mich angelogen, flüsterte Klara, Papa hat mich angelogen!
    Er hat nicht gelogen, flüsterte die Mutter und hielt die Hand des Kindes fest, damit es nicht näher heranging.
    Warum macht er das dann?!
    Verstehst du denn nicht?
    Nein.
    Er betet für dich, sagte die Mutter und zog Klara zum Ausgang.
    Ist denn keiner das, was er zu sein scheint?, fragte Klara weinend, als sie bereits im Freien waren. Vor dem Tor der Kirche blies ihnen der Wind scharf ins Gesicht, die Bettlerin war nirgends zu sehen, der Lumpen, in dem sie ihr Kind gewiegt hatte, lag auf dem Boden, er hatte ein Stück Holz umhüllt. Die Mutter schwieg und starrte zum Himmel, die Wolken zogen langsame schmutzige Nebelfetzen hinter sich her. Als sie zu Hause ankamen, war auch der Vater schon da, er lag bleich und missgelaunt auf dem Sofa und blätterte in irgendwelchen Zeitungen. Margit redete ihn nicht an und erwiderte seinen Gruß nicht, stumm machte sie sich in der Küche zu schaffen. Es herrschte eine Stille, die Klara wehtat. Schließlich stand der Vater auf und nahm ihre Hand.
    Komm mit, sagte er, und sie gingen in den Hof hinaus, es dämmerte und war bereits ziemlich kalt.
    Was auch mit mir geschieht, weck mich auf, hast du verstanden?
    Nein, flüsterte das Mädchen.
    Ich bitte dich, weck mich auf, verstanden?
    Ich verstehe nicht, wiederholte sie.
    Da setzte er sich plötzlich auf die Erde, fiel auf den Rücken, sein Mund blieb weit offen, auf dem Gesicht erschien dieser fürchterliche Zug, der sie so ängstigte. Der Vater rührte sich nicht, er atmete gar nicht mehr. Seine Nägel leuchteten weiß. Der Vater war tot. Sein Gesicht war gelb, reglos lag er da, mausetot. Klara schlug die Hand vor den Mund. Gebannt sah sie den Vater an, schreckensstarr, von Grausen gepackt, dann wandte sie sich plötzlich um und lief ins Haus.
    Mama, Mama, Papa ist tot!
    Die Mutter warf ihr einen Blick voller Ekel zu, ihre Schulter zuckte abschätzig. Heftige Wut packte Klara, mit einem Schrei schlug sie die Tür zu und rannte wieder in den Hof. Der Vater lag noch genauso da, bewegte sich nicht, er war tot. Klara zerrte an ihm.
    Wach auf, László Pelsőczy, wach auf, László Pelsőczy!
    Doch der Vater rührte sich nicht. Sie stand über ihm, nun weinte sie, ihre Tränen kamen ihr kalt vor. Oder glühte nur ihr Gesicht? Allmählich wurde es Abend, und sie wusste, sie würde vergeblich zu ihrer Mutter gehen. Sie würde sie vergeblich bitten, um was auch immer! Mit ihrem Blick folgte sie dem Lampenschein, der aus dem Haus sickerte, auch der war feindlich, er zeichnete vage Flecken und Schatten auf die Erde. Auch im schütteren Laub der Bäume wurde es dunkel, doch der Wind wehte, sicher waren Wurzelmama und Blatt in der Nähe, und Wurm beobachtete sie von irgendwo. Das Mädchen kauerte sich neben den Körper und streichelte das kalte, entstellte Gesicht. Dann, wie von einem kühnen Gedanken ergriffen, sprang sie auf, lief ins Haus und holte eine Flasche aus der Vitrine. Sie schnupperte, etwas Süßes, ein Likör musste es sein. Gleich wirst du aufwachen, Papa! Gleich bist du wieder auf den Beinen! Mit dem Alkohol hastete sie hinaus und füllte neben dem furchteinflößenden Gesicht das ebenfalls mitgebrachte Glas.
    Wach auf, László Pelsőczy! Wach auf, László Pelsőczy!, flüsterte sie.
    Darauf gab der Vater einen lauten Schnarcher von sich.
    Allerhand, flüsterte Klara, sie war sehr wütend.
    Langsam öffnete er die Augen und begann zu grinsen.
    Das hat aber lange gedauert, Herzblättchen!, seufzte er, dann lachte er schallend, na, gehen wir schnell zu Bett, morgen müssen wir früh ablegen!
    Mit Wonne lauschte sie auf den Schiffsfahrten den Geschichten des Vaters vom Wasser und vom Himmel und von den sich am Horizont auftürmenden Wolken, die am Nachmittag immerzu Menschen wurden. Dort bin ich, dort!, deutete Pelsőczy auf einen Punkt oberhalb der Pappeln, und das Mädchen sah erstaunt,

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