Blumenfresser
kannst.
Du bist wie deine Mutter, flüsterte sie.
Davon war Imre überrascht, warum, wie ist denn meine Mutter?!
Sie geht einfach fort! Sie geht fort, einfach so, wann es ihr gefällt!
Imre senkte den Kopf, war das vielleicht wirklich so?!
Denk an dein Kind!, beschwor sie ihn, dann zerbrach etwas hinter ihm, vielleicht war ein Glas zu Boden gefallen. Klara sagte nichts mehr, sie setzte sich hin. Ihre Hände ruhten im Schoß, die Finger bebten, wie schön sie war. Das Zimmer war voller Splitter. Auf einmal spürte er, dass sie etwas wusste, das er nicht wusste. Somnakaj trat herein, sie blinzelte nervös. Sie schien ihm böse zu sein, weil er ihre Herrin quälte.
Vater ist hier, sagte sie.
Wo?, fragte er und warf noch einen Blick auf seine Notizen.
Er wartet vor dem Tor.
Ist er allein?
Nein, schüttelte Somnakaj den Kopf, er hat den Wahrhaftigen mitgebracht.
Sag ihm, dass wir gleich losgehen!
Das Wetter war mild geworden, die laue Luft voll Glanz. Vielleicht hatte der Winter schon Abschied genommen. Eine Taubenschar kreiste über ihren Köpfen, flog ihnen auf dem Weg zum Casino hinterher. Vom Schlachthof her rumpelte ein Wagen, unter der Plane lugten Schweineschenkel hervor. Ignác Derera, der jüdische Knopfmacher, nickte Imre zu, der fast vergaß, den Gruß zu erwidern. Klara war stumm, manchmal blieb sie stehen und blickte um sich, als wollte sie herausfinden, ob ihnen jemand folgte. Hinter ihnen ächzte Gilagóg, er trug den Wahrhaftigen wie sein eigenes Kind. Somnakaj ging hinter ihrem Vater, dessen Gegenwart sie sichtlich störte, und vielleicht störte sie die ganze Welt, ihrer Herrin war die Laune verdorben, verflixt noch mal! Sie kamen früh beim Casinogebäude an, der Pförtner, ein Soldat mit großem Schnurrbart, grüßte sie mit Kopfnicken, schließlich salutierte er herablassend. Kaum, dass sie eingetreten waren und neben den Säulen romanischen Stils die blankgeschliffenen Stufen hinaufstiegen, näherte sich ihnen ein eleganter kleiner Mann.
Ich vermute, Herr Schön, wir kennen einander noch nicht, sagte er, warf einen Blick auf Klara, um dann die dahinter Wartenden in Augenschein zu nehmen, Somnakaj und den eingeschüchterten Gilagóg. Dann stieß er einen anerkennenden Pfiff aus.
Sie vermuten richtig, Imre sah ihm in die Augen, nach Ihrer Aussprache zu urteilen sind der Herr aus Wien angereist. Von so weit her! So sehr interessiert Sie der heutige Vortrag?
Ich bin aus Wien gekommen, in der Tat. Und was Sie heute vorzutragen beabsichtigen, hat meine Neugier geweckt. Wie auch, welche Absicht Sie mit dieser sonderbaren Begleitung verfolgen.
Ich nehme an, Sie haben noch etwas anderes im Sinn, als mir zuzuhören, lächelte Imre.
Ganz richtig, sagte der Herr aus Wien und ließ sein gesundes, weißes Gebiss blitzen. Sein Kinn war glattrasiert.
Würden Sie mir verraten, was das wäre?
Ach, nur, dass ich Sie verhaften werde, winkte der Herr aus Wien ab.
Bleich setzte Klara sich in Bewegung, doch Imre hielt sie zurück.
Das könnten Sie schon jetzt tun.
Dann käme ich nicht in den Genuss Ihres Vortrags. Doch ich schätze Sie sehr, Herr Schön. Sie halten sich für einen geheimnisvollen Menschen. Ich bin geheimnisvoll und besonders, ein Einzelexemplar! Ich möchte Sie nicht in meine Gedanken einweihen, doch so viel kann ich verraten, dass derlei Eitelkeiten mein Gemüt am schmerzlichsten in Mitleidenschaft ziehen! Ach, ich bitte Sie, die Rätselhaftigkeit des Menschen! Wenn Sie einmal sterben, Herr Schön, werden Sie rätselhaft sein. Dann sind Sie ein Rätsel, weil Sie nicht mehr sind! Halten Sie Ihren Vortrag und bemühen Sie sich, Ihre Worte umsichtig zu gebrauchen, denn harte Jahre ziehen heran. Doch vergessen Sie nicht, Sie sind nicht mehr in der Lage, ausreichende Umsicht walten zu lassen. Nicht mehr.
Nicht doch, meine Herren, mischte Klara sich ein, ich würde nicht annehmen, dass der … Herr Sekretär die wahren Feinde des Vaterlands mit solchen armen Wissenschaftlern verwechselt, wie … wie mein Mann einer ist.
Imre lächelte, der wahre Feind des Vaterlands ist der verehrte Herr, sagte er freundlich und klopfte dem Herrn aus Wien auf die Schulter.
Nun nahm der Herr aus Wien die Stelle, wo Imre ihn berührt hatte, gründlich in Augenschein.
Herr Schön, Sie irren sich, mich interessiert Ihr Vaterland weniger als einen Hund sein Haufen. Und weil ich auf Ihr Vaterland spucke, Herr Schön, kann ich auch nicht sein Feind sein. Was mich interessiert, das sind Sie. Wir sind keine
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